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CSRD: Gamechanger für die Wirtschaftsprüfung

Neue Prüfungsanforderungen und Chancen für Wirtschaftsprüferinnen und -prüfer

Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verändert sich die Art und Weise, wie Unternehmen über Nachhaltigkeit berichten. Was bedeutet das für Wirtschaftsprüferinnen und -prüfer, die oft an der Schnittstelle von Berichterstattung, Datenqualität und rechtlichen Vorgaben stehen? Eric Neumann von der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Experte für Nachhaltigkeitsberichterstattung, erläutert die Herausforderungen, Best Practices und Potenziale der CSRD – und warum Kooperationen, etwa mit Organisationen wie der DSAG, entscheidend sein könnten.

Herr Neumann, warum ist die CSRD für Wirtschaftsprüferinnen und -prüfer sowie Wirtschaftsprüfungsgesellschaften relevant, und wie verändert sie den Umfang der Prüfungen im Vergleich zur bisherigen Non-Financial Reporting Directive (NFRD)?

Eric Neumann: Die CSRD verändert die Nachhaltigkeitsberichterstattung grundlegend. Durch die schrittweise verpflichtende Anwendung rückt die Berichterstattung immer weiter in den Fokus. Im Vergleich zur NFRD gibt es jetzt wesentlich detailliertere Anforderungen, die vor allem in den neuen ESRS – den European Sustainability Reporting Standards – konkretisiert sind. Die CSRD erweitert nicht nur den Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen, sondern verlangt auch eine umfassende Auseinandersetzung mit Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen. Dabei sprechen wir von über 1.200 Datenpunkten, die teilweise ganz neue Ebenen der Berichterstattung erfordern. Neben den Unternehmen erfordert der neue Umfang auch größere Kapazitäten auf der Seite der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.

Hätten Sie hier ein Beispiel?

Eric Neumann, von der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Experte für Nachhaltigkeitsberichterstattung, über die CSRD
Eric Neumann, von der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Experte für Nachhaltigkeitsberichterstattung

Es gibt z. B. Standards, die Unternehmen verpflichten, ihre Strategie im Hinblick auf die 1,5-Grad-Klimaziele darzulegen. Das geht weit über das hinaus, was bisher in der CSR-Richtlinie gefordert wurde. Ein gutes Beispiel hierfür ist der ESRS E1, der Standard zum Klimawandel. Dieser Standard verlangt unter anderem die Erstellung eines Klimatransitionsplans. Also die Bemühungen des Unternehmens zum Klimaschutz und seiner Anpassung an den Klimawandel vermitteln. Das heißt, ein Unternehmen muss darlegen, wie es den Übergang von der aktuellen Situation zu einer nachhaltigen und klimafreundlicheren Ziel-Situation bewältigen will. Dabei werden nicht nur aktuelle Emissionen und geplante Reduktionsmaßnahmen berücksichtigt, sondern auch die Auswirkungen des Klimawandels, wie beispielsweise steigende Temperaturen oder veränderte Wetterbedingungen (u.a. Ebbe, Flut). Das kann enorme Folgen für produzierende Unternehmen haben. Man muss sich fragen: Werden Produktionsstandorte in 10 oder 20 Jahren unter veränderten klimatischen Bedingungen überhaupt noch operieren können? Müssen Maßnahmen wie zusätzliche Kühlung eingeplant werden, und sind diese technisch und wirtschaftlich realisierbar?

Das klingt wie ein Blick in die Glaskugel…

Ja, ein bisschen ist es das auch. Sowohl Unternehmen wie auch Prüferinnen und Prüfer sind das erste Mal mit einer Offenlegungsanforderung dieses Ausmaßes konfrontiert. Neben diesen strategischen Überlegungen kommen auch sehr konkrete operative Herausforderungen hinzu, wie die Erhebung von Scope-1-, Scope-2- und Scope-3-Emissionen. Die genaue Erhebung und Berechnung von Scope-3-Emissionen stellt sich als besonders komplex heraus, da sie sämtliche Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette umfasst. Gemeint sind somit vor- als auch nachgelagerte Aktivitäten in der Kette. Dies bedeutet, dass Unternehmen eng mit ihren Lieferanten und Partnern zusammenarbeiten müssen, um diese Daten zu erheben und die Methodik zur Berechnung zu standardisieren. Für Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer bedeutet dies, dass wir uns zunehmend aus dem klassischen Zahlenkosmos herausbewegen und stärker auf qualitative und zukunftsorientierte Aspekte achten müssen. Wir müssen prüfen, ob die Daten vollständig und korrekt erhoben wurden und ob sie technisch und operativ realistisch sind. Das geht weit über das hinaus, was wir bisher in der Abschlussprüfung auditiert haben, und erfordert neue Kompetenzen sowie ein tiefes Verständnis der zugrunde liegenden Prozesse und Datenstrukturen. Auf diese Herausforderungen bereiten sich natürlich auch die Kolleginnen und Kollegen bei BDO entsprechend vor.

Gibt es noch weitere Beispiele?

Ein weiteres Beispiel für die Anforderungen der CSRD ist der E 1-9 Standard. Dieser bezieht sich auf die erwartbaren finanziellen Effekte und Risiken, die durch den Klimawandel entstehen könnten. Der E 1-9 Standard verlangt von Unternehmen, dass sie die finanziellen Auswirkungen des Klimawandels, wie etwa steigende CO2-Preise oder die Veränderung von Ressourcenkosten, in ihre strategische Planung einfließen lassen. Es geht darum, die langfristigen finanziellen Auswirkungen von klimatischen Veränderungen und politischen Maßnahmen zu bewerten und transparent darzustellen. Das kann für Unternehmen besonders herausfordernd sein, da es nicht nur um die derzeitigen finanziellen Auswirkungen geht, sondern um eine langfristige Prognose, die auf Annahmen beruht, die sich mit der Zeit ändern können. Dennoch gibt auch an der Stelle der Standardsetzer Hilfestellungen und anfängliche Erleichterungen vor. Kein Unternehmen sieht sich sofort mit dem vollem Umfang der Anforderungen konfrontiert.

Welche Rolle spielt dabei die Datenqualität, und wie können Unternehmen diese sicherstellen?

Datenqualität ist das A und O bei der CSRD-Berichterstattung und darüber hinaus grundsätzlich in der externen Berichterstattung. Unternehmen müssen zunächst eine vollständige Übersicht über ihre Datenbestände schaffen. Das bedeutet: Transparenz über alle Standorte, Prozesse und Datenquellen. Bei Unternehmen, die international tätig sind, kommen zusätzliche Herausforderungen hinzu, etwa unterschiedliche gesetzliche Vorgaben oder kulturelle Unterschiede bei der Datenverarbeitung. Allein diese Umstände können sehr herausfordernd sein. Gerade bei global agierenden Unternehmen zeigt sich oft, dass Daten über mehrere Systeme verteilt sind, was die Konsolidierung erschwert. Hier kommen Enterprise-Resource-Planning (ERP)-Systeme ins Spiel, die eine zentrale Rolle spielen können.. Wichtig ist dabei, dass Unternehmen die Schnittstellen ihrer Systeme genau prüfen und sicherstellen, dass alle relevanten Datenflüsse integriert sind.

Wie lassen sich die Anforderungen der CSRD konkret in SAP-Systemen abbilden?

SAP und andere Lösungen bieten zahlreiche Werkzeuge, die Unternehmen bei der Erfüllung der CSRD-Anforderungen unterstützen können. Die Herausforderung liegt darin, diese Lösungen nahtlos in die bestehende ERP-Landschaft zu integrieren. Unternehmen müssen sicherstellen, dass alle relevanten Daten – von Energieverbräuchen bis hin zu Emissionen – erfasst werden. Dabei sind oft zusätzliche Schnittstellen oder Erweiterungen erforderlich, insbesondere wenn Daten von Dritten, wie Lieferanten, in das System einfließen sollen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Validierung der Daten. In manchen Systemen können beispielsweise automatische Prüfmechanismen eingerichtet werden, die sicherstellen, dass Daten konsistent und vollständig sind. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Unternehmen oft mit einem zu hohen Vertrauen in die Automatisierung starten. Es ist wichtig, die Ergebnisse regelmäßig manuell zu überprüfen, insbesondere in der Anfangsphase, wenn Systeme und Prozesse noch nicht perfekt aufeinander abgestimmt sind. Dies erleichtert im weiteren Verlauf die Fehlersuche bei auftretenden Problemen.

Sie haben branchenspezifische Unterschiede erwähnt. Wie beeinflussen diese die Anwendung und Prüfung der CSRD?

Branchenunterschiede spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle. In der produzierenden Industrie, etwa der Stahl- oder Automobilbranche, stehen riesige Datenmengen zu Emissionen, Energieverbräuchen und Produktionsprozessen im Fokus. Die Daten sind oft sehr technisch und erfordern eine tiefe Analyse. Dienstleistungsunternehmen hingegen konzentrieren sich mehr auf soziale und Governance-spezifische Aspekte, wie etwa Diversität, Gender Pay Gap oder die Altersstruktur der Belegschaft. Was alle Branchen gemeinsam haben, ist die Notwendigkeit, sektorspezifische Anforderungen in Zukunft zu berücksichtigen. Die EU plant bereits die Einführung sektorspezifischer Standards, die noch detaillierter auf die Eigenheiten einzelner Branchen eingehen werden. Das wird nicht nur die Berichterstattung, sondern auch die Prüfung weiter differenzieren.

Welche langfristigen Auswirkungen hat die CSRD Ihrer Meinung nach auf Unternehmen und deren Nachhaltigkeitsberichterstattung?

Langfristig wird die CSRD das Thema Nachhaltigkeit noch stärker in die Kernprozesse von Unternehmen integrieren. Die Verknüpfung von finanziellen und nicht-finanziellen Daten führt dazu, dass Unternehmen ihre Prozesse ganzheitlich betrachten und oft auch optimieren. Die Berichterstattung selbst wird mit der Zeit standardisiert und dadurch effizienter. Zudem wird sie zu einem zentralen Bestandteil der Unternehmensstrategie.

Welche Prüfungsstandards und Methoden sind aktuell bei der CSRD-Prüfung maßgeblich, und erwarten Sie neue Standards?

Derzeit nutzen wir den ISAE 3000 (revised) zur Prüfung nicht-finanzieller Informationen. Im Rahmen der CSRD und ESRS soll der ISAE 3000 rev. Jedoch durch einen noch spezifischer auf die Inhalte von Nachhaltigkeitsberichten konzentrierten Prüfungsstandard ersetzt werden: den ISSA 5000. Dieser wurden Ende 2024 vom International Auditing und Assurance Standards Board (IAASB), das für Prüfungs- und Beratungsstandards zuständige internationale Gremium, veröffentlicht.  Sicher wird es aber in den kommenden Jahren noch weiteren Entwicklungen im Kontext der Prüfungsstandards geben. Ich erwarte, dass die Prüfmethoden mehr auf datenbasierte Prüfungen und Plausibilitätsprüfungen ausgerichtet werden, was eine noch stärkere Automatisierung und Digitalisierung der Prüfprozesse notwendig macht. Klar ist, dass Prüfstandards künftig stärker auf die komplexen und datengetriebenen Anforderungen der CSRD ausgerichtet sein müssen.

Wie könnte sich die Rolle der Wirtschaftsprüferinnen und -prüfer durch die CSRD verändern?

Die CSRD wird die Rolle der Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer erweitern. Neben der klassischen Prüfung von finanziellen Kennzahlen wird man sich stärker auf qualitative und zukunftsgerichtete Daten fokussieren müssen. Gleichzeitig könnten Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer unter Einhaltung der Unabhängigkeitsvorgaben eine aktivere Rolle in der Begleitung von Unternehmen einnehmen, vor allem mit Fokus auf die Optimierung von Datenerhebungsprozessen, Risikomanagement Systemen oder Internen Kontrollsystemen.  Die CSRD ist eine Chance für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, das jeweilige Dienstleistungsportfolio weiterzuentwickeln.

Sie haben bereits die Umsetzung der CSRD in das deutsche Recht angesprochen. Welche Herausforderungen gibt es hier derzeit?

Eine der größten Herausforderungen ist, dass die CSRD als EU-Richtlinie zunächst nicht bindend ist und in nationales Recht umgesetzt werden muss. Die EU hatte den Mitgliedstaaten bis Mitte 2024 Zeit gegeben, die ESRS (European Sustainability Reporting Standards) in nationales Recht zu überführen, doch in Deutschland wurde diese Frist bereits überschritten. Die entscheidende Frist für die Umsetzung des Gesetzes endete nun am 31. Dezember 2024, und die Unsicherheit ist groß. Nach aktuellem Stand der Gesetzeslage gilt daher weiterhin die Regelung nach dem CSR-Richtlinienumsetzungsgesetz. Eine Berichterstattung gemäß dem Rahmenwerk der ESRS ist dennoch möglich, wenn auch nicht verpflichtend. Hier bleibt abzuwarten, welche gesetzlichen Rahmenbedingungen im Jahr 2025 in Deutschland geschaffen werden. Ich gehe aktuell davon aus, dass die CSRD die Umsetzung in deutsches Recht in diesem Jahr erfolgen wird.

Was bedeutet das konkret für Unternehmen und Wirtschaftsprüferinnen sowie Wirtschaftsprüfer?

Für viele Unternehmen stellt sich die Frage, ob sie nun freiwillig die ESRS als Rahmenwerk nutzen oder sich auf ein anderes Rahmenwerk wie z.B. das der Global Reporting Initiative beziehen. Zudem ergeben sich weitere Herausforderungen in Bezug auf eine freiwillige Erstanwendung der ESRS, die nicht immer eindeutig zu beantworten sind. Für Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer bedeutet diese Rechtsunsicherheit eine zusätzliche Herausforderung, was die Definition des Prüfungsgegenstandes und die Auslegung von möglichen Freiheitsgraden in der Berichterstattung zur Folge hat. Auch den Lesern der Berichte wird es nicht leichter gemacht. Die angestrebte Vergleichbarkeit der Nachhaltigkeitsberichterstattung und die damit verbundene Transparenz wird sich unter den gegebenen rechtlichen Bedingungen in Deutschland vermutlich erstmal nicht einstellen.

Welche Potenziale sehen Sie in einer Zusammenarbeit zwischen Wirtschaftsprüferinnen bzw. Wirtschaftsprüfern und Organisationen wie der DSAG?

Kooperationen zwischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Organisationen wie der DSAG sind besonders wertvoll, denn sie bringen die verschiedenen Perspektiven von praktischer Umsetzung und Prüfung zusammen. Der Austausch führt zu einem besseren Verständnis auf Seiten aller Beteiligen, was in der praktischen Erhebung und Verarbeitung von Daten möglich und gleichzeitig für die Prüfung nötig ist. Eine solcher Austausch würde nicht nur die Effizienz steigern, sondern auch die Qualität der Berichterstattung langfristig verbessern.

Vielen Dank für das Gespräch!

DSAG-Arbeitsgruppe
Nachhaltigkeitsberichtswesen im Rechnungswesen

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