SAP im Wandel: Strategien für die Zukunft
Chancen, Risiken und Strategien im SAP-Kontext
Beim DSAG-Jahreskongress 2025 diskutierten die Fachvorstände Michael Bloch, Hermann-Josef Haag, Thomas Henzler und Stephan Hüttmann die aktuellen Veränderungen im SAP-Portfolio und ihre Folgen für Unternehmen. Themen wie Architektur, Lizenzmodelle, Cloud-Strategien, regulatorische Anforderungen und digitale Souveränität standen im Fokus – mit klaren Empfehlungen, wie Unternehmen ihre SAP-Strategie erfolgreich ausrichten können. Die Kernthemen sowie die Aussagen des Talks gibt es hier in der Zusammenfassung:

SAP-Landschaften: Modularisierung und Vielfalt
SAP-Landschaften werden zunehmend modularer und vielfältiger. Unternehmen stehen vor der Entscheidung zwischen einem Best-of-Breed-Ansatz mit spezialisierten Lösungen oder einer Best-of-Suite-Strategie, die auf integrierte SAP-Komponenten setzt. Die sogenannten Suite-Qualities, wie z. B. das Identity-Management werden zunehmend wichtiger, um bspw. SAP Joule oder das Task-Center nutzen zu können. Der Wiederbelebung des Begriffs Business Suite im Kontext Cloud soll u.a. das Thema Integration und Best-of-Suite wieder stärker adressieren, um die Stärken wie hochintegrierte Business-Prozesse aus der On-Premises-Welt auch in die Cloud zu bringen.
Lizenzmodelle: Komplexität und Unsicherheit
Die Geschwindigkeit der Portfolioveränderungen ist hoch und hat seit Jahresbeginn 2025 noch einmal zugelegt. Die Wechseloptionen sind komplex und die Auswirkungen des „Business-Suite-Modells“ auf Bestandskunden, die vorrangig Richtung Private Cloud schauen, ungeklärt. Klassische Lizenzmodelle werden teurer, während Cloud-Optionen im Vordergrund stehen. Dadurch ergibt sich zwangsläufig eine Drucksituation zum Wechsel in die Cloud. Unternehmen müssen ihre Strategie anpassen und die kommerziellen Folgen sorgfältig analysieren.
Cloud-Architekturen: Neue Anforderungen an IT und Fachbereiche
Der Wandel zur Cloud stellt Unternehmen vor tiefgreifende Veränderungen. Neukunden profitieren von einem unbelasteten Start, während Bestandskunden ihre Strategien neu ausrichten müssen. Cloud-native Lösungen erfordern neues Know-how in IT und Fachbereichen. So müssen neben den klassischen ABAP-Kenntnissen eine Vielzahl von BTP-Services, LoB-Lösungen (wie CX etc.) beherrscht und zusammengebracht werden. Die Herausforderung dabei ist nach wie vor: Selbst, wenn Unternehmen einen Best-of-Suite-Ansatz mit SAP-Lösungen fahren, sind sie weiterhin mit unterschiedlichen Technologien konfrontiert. Dementsprechend harmonisiert SAP selbst schon seit einigen Jahren das eigene Portfolio und baut Lösungen auf der BTP als Cloud-native Lösungen wie bspw. eine Sales und Service Cloud v2 oder auch Ariba Supplier 360.
Regulatorik: Pflicht zur E-Rechnung und branchenspezifische Vorgaben
Ab dem 1. Januar 2027 wird die E-Rechnung in Deutschland verpflichtend. Grundlage ist ein XML-basiertes Format, jedoch fehlt eine europaweite Harmonisierung. Die geplante Formatfreiheit führt zu Unsicherheit, da Unternehmen individuelle Vereinbarungen untereinander treffen sollen. SAP bietet mit Document and Reporting Compliance (DRC) eine ausgereifte Lösung für Unternehmen mit hohem, internationalem Rechnungsvolumen. Kleine und mittelständische Unternehmen mit On-Premises-Systemen stehen hingegen vor Herausforderungen – insbesondere bezogen auf die Kosten und die Cloud-Anbindung via SAP Business Technology Platform (BTP). Weitere regulatorische Anforderungen betreffen verschiedene Branchen: Die Finanzindustrie mit der Umsetzung von DORA (Digital Operational Resilience Act), Energiebranche mit dem 24-Stunden-Lieferantenwechsel (LFW24) oder die Einführung des Euro in Bulgarien.
Digitale Souveränität: Kontrolle über Daten und Betrieb
Die geopolitische Lage macht deutlich: Digitale Souveränität ist für Europa strategisch entscheidend. SAP bietet mit der On-Site Option eine Lösung, bei der Systeme im Rechenzentrum des Kunden unter SAP-Betrieb laufen – besonders wichtig für kritische Branchen mit hohen Sicherheitsanforderungen. Hier bleibt aber auch noch abzuwarten, wie dieses Angebot eingepreist werden wird.
Business Suite: Neue Ausrichtung für die Cloud
SAP belebt den Begriff Business Suite neu – als Cloud-Angebot mit einem vertikalen Lizenzmodell für die Public Cloud. Nutzerlizenzen umfassen nicht nur Cloud ERP, sondern auch Anteile weiterer Produkte wie Ariba. Ziel ist es, ganzheitliche Prozesse abzudecken und parallele Verträge zu vermeiden. Ob der Markt diese Neuerung annimmt, bleibt offen. Für Bestandskunden wird weiterhin oftmals der Weg in die Private Cloud führen. Jedoch sollte man auch dort stets die Entwicklungen im Auge behalten.
Public vs. Private Cloud: Strategische Weichenstellung
SAP differenziert zwischen Public und Private Cloud. Public Cloud-Lösungen sind funktional eingeschränkt, während Private Cloud stärker auf Standardisierung (Clean Core) setzt. Vertraglich unterscheiden sich die Modelle deutlich. Unternehmen müssen ihre Optionen sorgfältig prüfen, da SAP langfristig die Public Cloud forcieren will, während viele Bestandskunden den Brownfield-Ansatz bevorzugen. Grundsätzlich ist die Fokussierung auf den ERP-Kern bzgl. Private oder Public Cloud zu kurzgefasst. Im Kontext der Business Suite stellt sich diese Frage zunehmend auch gar nicht mehr. Kunden können zwischen Private und Public im ERP-Kern wählen. Jedoch gibt es weitere SAP-Lösungen außerhalb des Kerns nur noch als Public-Cloud-Variante. Am Beispiel SAP Advanced Variant Configuration (AVC) heißt das: Es gibt eine On-Premises-Variante im S/4HANA-Kern (oder in der Private Cloud Edition (PCE)) und eine Lösung auf der BTP als Public-Coud-Version.
Häufig sind die PCE-Versionen zunächst eine Brücke bis es dann eine Public-Cloud-Variante auf der BTP gibt. Dies geht u.a. einher mit der Harmonisierung der Technologien, welche eingangs erwähnt wurden. Die Herausforderung dabei ist jedoch für Kunden, dass es häufig ein funktionelles Vakuum zwischen Private- und Public-Cloud-Version gibt, welches erst teils über Jahre geschlossen wird. Kunden müssen aber jetzt handeln, weshalb sie vor komplexen Entscheidungen stehen. Entweder wählen sie die “sichere” PCE-Version oder aber die “moderne und strategische” Public-Cloud-Variante, die aber noch “reifen” muss.
Business Data Cloud: Daten als Schlüssel
Die BDC bündelt Lösungen wie Datasphere und Analytics Cloud in einem Paket. Lizenzierung erfolgt über Capacity-Units, die monatlich berechnet werden. Sie ermöglicht erstmals strukturierte Datenprodukte in sogenannten Intelligent Applications, die jedoch allesamt über die BDC-Basisfunktionen hinaus weitere Kosten verursachen. Die Komplexität der Lizenzierung ist enorm und sollte kundenseitig intensiv evaluiert werden. Es bleibt enttäuschend, dass SAP bei der BDC abweichend vom BTP Enterprise Agreement keine Nutzung der Capacity-Units über das gesamte Jahr ermöglicht – die starre Lizenzierung erlaubt nur ein geringes Maß an Flexibilität.
Customer Center of Expertise (CCoE): Steuerung neu gedacht
SAP positioniert das CCoE als funktionales Steuerungsmodell. Ehemalige SAP-Basis-Teams übernehmen nicht zwingend BTP- oder SuccessFactors-Verantwortung. Unternehmen müssen die CCoE-Funktion klar definieren und eine ganzheitliche Steuerung von SAP sicherstellen. Dazu gibt es Best Practices von SAP-Kunden auf dem SAP Support Portal. Außerdem sollte man sich auch innerhalb der DSAG dazu austauschen und von den Erfahrungen anderer Kunden profitieren.
IT und Fachbereich: Grenzen verschwimmen
Mit Joule Studio (KI) und SAP Build (Low-/No-Code) können Fachanwender selbst Lösungen entwickeln. Das steigert die Umsetzungsgeschwindigkeit, erfordert aber klare Governance- und Rechteprofile. IT-Abteilungen müssen stärker End-to-End-Prozesse steuern, unabhängig vom Anbieter.
Neue Governance in kritischen Branchen
Mit RISE with SAP verschieben sich Aufgaben in der IT, sie werden aber nicht weniger. Ohne klare Governance droht Anarchie in der Cloud. Besonders bei SaaS-Lösungen ist der Handlungsspielraum gering – was die Umsetzung vereinfacht.
Business AI: Chancen und Herausforderungen
SAP differenziert zwischen eigener und kundeneigener KI. Während SAP „eingebaute KI“ meist über Joule oder direkt in den Anwendungen bereitstellt, können Kunden mit dem GenAI Hub, der Zugang zu zahlreichen großen Sprachmodellen (LLMs) bietet, eigene KI-Anwendungen bis hin zu individuellen Chatbots entwickeln. Joule Studio soll dies nun abrunden, um eigene Joule-KI-Skills entwickeln zu können. Ein erster Mehrwert entsteht in der Cloud – etwa bei HR- oder Finanzprozessen. Der Aufbau eigener KI-Lösungen auf der BTP ist komplex. Die Lizenzierung von Business AI bleibt schwierig: Abgerechnet wird über User und AI-Units, nicht über Pay-per-Use. Unternehmen müssen Über- und Unterlizenzierung vermeiden und versuchen, die Kosten planbar zu machen.
Kritik an RISE with SAP
Kunden kritisieren, dass Verträge uneinheitlich sind und Inhalte wie Signavio oder LeanIX regelmäßig ein- und ausgelagert werden. Auch die Integration Suite fehlt in den Paketen. Unternehmen fordern verlässliche Angebote und langfristige Planbarkeit.
Extended Maintenance: Handlungsdruck steigt
Das Supportende für ECC 2030 rückt näher. Viele Unternehmen sind noch nicht migriert. Eine vollständige Umstellung bis dahin gilt als unrealistisch. Unternehmen sollten frühzeitig einen Migrationsfahrplan entwickeln, um Kosten und Risiken zu reduzieren.
Empfehlungen des Fachvorstands: Was Unternehmen jetzt tun sollten
- Vertragsoptionen für den Wechsel in die Cloud prüfen
- LoB-Lösungen als Innovationsprojekte nutzen
- S/4HANA-Migrationsfahrplan erstellen
- Beschäftigung mit der BTP ist Pflicht – sie ist die Basis aller künftigen SAP-Lösungen
- Transformation nicht aufschieben, sondern aktiv starten
- Preislistenänderungen regelmäßig verfolgen
- BTP-Verantwortung festlegen, Know-how aufbauen und Einführung planen
- S/4HANA-Strategie klären: Welche Optionen sind sinnvoll?
- Organisation auf Clean Core ausrichten
- BTP-Verantwortung festlegen, Know-how aufbauen und Einführung planen
DSAG-Keynote der Fachvorstände
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