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Phänomen Gen Z

Mission Headhunting: Wie begeistert man Vertreter:innen dieser Generation für Unternehmen?

Wer „Gen Z“ googelt, erhält gefühlt jede Woche ein anderes skurriles Suchergebnis. Neueste Schlagzeile: Die jungen Menschen treffen sich, um gemeinsam Pudding mit der Gabel essen. Der Generation haftet zweifelsohne das Image an, besonders zu sein. Doch unterscheiden sich die Menschen, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden, tatsächlich so elementar von vorangegangenen Generationen? Und was heißt das für Arbeitgeber, für die die Gen Zler als Nachwuchskräfte immer relevanter werden?

Im Gespräch teilen die beiden Headhunterinnen Dr. Stefanie Degenhartt und Manuela Weigert ihre Erfahrung beim Recruiting und Onboarding mit den jungen Erwachsenen. Dr. Reinhard Ematinger schildert seine Perspektive als Projektverantwortlicher für die Initiative DSAG 4 Young Leaders (4YL).

4YL schlägt die Brücke von den jungen Menschen, die gerade am Beginn ihres Berufslebens stehen, hin zu den Unternehmen innerhalb der DSAG. Sie ist eine Art Sprachrohr in beide Richtungen und unterstützt DSAG-Mitglieder dabei, sich zu „verjüngen“ – also für junge Talente als Arbeitgeber attraktiv zu sein. Als Projektverantwortlicher arbeiten Sie eng mit den Gen Zlern zusammen. Was macht diese Generation aus?

Dr. Reinhard Ematinger: Wenn wir von „dieser Gen Z sprechen“, müssen wir unbedingt aufpassen, dass wir es uns nicht zu einfach machen und Stereotypen schaffen. Erstens sind die Übergänge von Generation zu Generation fließend. Und zweitens können wir nicht alle über einen Kamm scheren. Selbst innerhalb einer Generation sind Menschen natürlich unterschiedlich – je nach Herkunft, Bildung, Kultur und Erfahrungen, die sie prägen. Die Beobachtungen, die wir hier schildern, sind also keinesfalls universell gültig, sondern Eindrücke.

Aus Ihrer Wahrnehmung heraus: Warum faszinieren und polarisieren sie gerade im Arbeitskontext so stark?

Dr. Reinhard Ematinger: Was die Gen Z zu vorangegangenen Generationen unterscheidet, ist, dass sie mit dem Internet und digitalen Technologien aufgewachsen ist. Die jungen Menschen sind im wahrsten Sinne des Wortes Digital Natives und das wirkt sich auf ihre Art der Kommunikation aus – nicht nur im Privaten, sondern auch im Geschäftlichen. Dazu kommt, dass sie unbedingt selbstwirksam sein wollen. Sie haben einen anderen Blick auf die gern angeführte „Work-Life-Balance“. Ihnen geht es darum, dass Arbeit in ein sinnvolles Leben passt und nicht umgekehrt – sie verfolgen also eine Art Work-Life-Integration. In diesem Zuge hinterfragen die jungen Erwachsenen die guten, alten, linearen Lebenswege. All das hebt sie auf den ersten Blick von anderen Generationen ab. Aber ein bewusstes Polarisieren sehe ich nicht.

Wie ist das gemeint?

Dr. Reinhard Ematinger: Es sind meiner Meinung nach nicht die jungen Menschen, die provozieren wollen. Sie trauen sich lediglich, für ihre Interessen einzustehen. Die im Übrigen nicht so neu sind, die hatten auch schon andere vor ihnen. Bloß die Gen Z spricht sie aus. Ich glaube, dass die große Aufregung von außen kommt. Dass sie von denjenigen künstlich geschaffen wird, die sich daran stören, wie es eine Generation schafft, aus tradierten Mustern auszuscheren.

Manuela Weigert: Das kann ich bestätigen. Wenn ich auf meine Karriere zurückblicke, hätte ich mich auch lieber mehr ausprobiert, statt starr einen Berufsweg zu verfolgen. Ich bin überzeugt, dass es vielen so ging. Wir waren damals allerdings noch deutlich fremdbestimmter, haben uns einfach in dieses stringente Muster eingefügt. Und der Arbeitsmarkt war ein anderer.

Wie unterscheidet sich der heutige Arbeitsmarkt von dem damals?

Manuela Weigert: Durch den Fachkräftemangel haben Arbeitssuchende oder wechselwillige Arbeitnehmer:innen heute ganz andere Optionen, die Jobauswahl ist – zumindest in bestimmten Branchen – deutlich größer als noch vor zehn Jahren. Einschränkend muss ich allerdings auch sagen, dass sich das Bild nun langsam wieder wandelt. Durch die wirtschaftliche Lage werden Unternehmen restrukturiert, umstrukturiert, Personen werden freigestellt und entlassen.

Nichtsdestotrotz sind die jungen Menschen wichtige Nachwuchs- bzw. Arbeitskräfte. Was müssen Unternehmen tun, um bei ihnen zu punkten?

Dr. Stefanie Degenhartt: Wer Gen Zler gewinnen möchte, muss ihr Vertrauen gewinnen, mit offenen Karten spielen – und ihnen vor allem auf Augenhöhe begegnen. Eine plumpe Ansprache á la „Ich hab hier einen spannenden neuen Job, wär der nicht was für dich?“ zieht nicht. Stattdessen muss man überzeugende Antworten auf Fragen wie „Was für ein Job ist das?“, „Warum sollte ich diesen annehmen, was ist da drin für mich?“, „Was kann ich bewirken?“, „In welchem Unternehmen?“ „Was sind dessen Werte?“ „Mit welchem Gehalt kann ich rechnen?“ geben können.  

Inwiefern ist den Unternehmen dieser Anspruch bewusst?

Dr. Stefanie Degenhartt: Arbeitgeber haben sicherlich schon dazugelernt und verstanden, dass Bewerbende heutzutage einen gewissen „Purpose“ für einen Job voraussetzen. Mit Angeboten wie Tischkicker oder betrieblicher Altersvorsorge lassen sich die wenigsten noch überzeugen. Und auch beim Onboarding reichen warme Worte allein nicht aus. Wer den Nachwuchskräften Gestaltungsfreiraum verspricht, dann aber auf dem „das bleibt so, das haben wir schon immer so gemacht“ beharrt, wird sie nicht lange halten können. Wer sie dazu verdonnert, immer vor Ort zu arbeiten und auf fixe Arbeitszeiten pocht, wird ebenso scheitern. Dem tragen zahlreiche Unternehmen ja bereits Rechnung mit hybriden oder Remote-Arbeitsmodellen und flexiblen Arbeitszeiten.

Warum liest man dennoch von immer mehr Firmen, die ihre Mitarbeitenden zurück ins Büro rufen?

Dr. Stefanie Degenhartt: Vermutlich weil sie erkannt haben, dass sich ein Team besser bildet, wenn es auch mal persönlich zusammenkommt – und es die Sozialkompetenz verbessert. Die Möglichkeit, remote zu arbeiten, hat große Vorteile, kann aber auch dazu führen, dass man den direkten Austausch in Person ver- oder nie erlernt. Die Gen Z ist fachlich super ausgebildet. Die Digitalisierung erleichtert den Zugang zu Wissen zudem. Was für sie aber durchaus eine Herausforderung sein kann, ist das direkte Miteinander. Sicherlich gilt auch hier, dass ein guter Weg zwischen reinem Homeoffice und Büroarbeit liegt.

Mal abgesehen von Remote Work: Inwiefern ist es für Konzerne oder Mittelständler, die meist feste Strukturen haben, überhaupt realistisch, der Gen Z den von ihr geforderten „Impact“ und „Purpose“ zu bieten sowie eigenbestimmtes Arbeiten? Können das – wenn dann überhaupt – nicht nur Start-ups mit viel Gestaltungsfreiraum?

Dr. Reinhard Ematinger: Ich glaube, das Entscheidende ist hier nicht die Größe und Agilität eines Unternehmens. Natürlich ist man bei Start-ups nah dran am Kunden. Bei den kurzen Wegen spürt und sieht man sehr schnell, was die eigene Arbeit bewirkt. Das ist quasi der „Mikro-Impact“.

Aber auch bei großen Unternehmen wie SAP-Kunden, globalen Beratungsunternehmen und SAP selbst ist das möglich. Sie entwickeln und nutzen Lösungen, die von zehntausenden Mitarbeitenden weltweit eingesetzt werden. Das heißt, diese können zusammengerechnet Millionen von Menschen in ihrem Berufsalltag beeinflussen – und machen idealerweise Prozesse etwa in der Lieferkette globaler Konzerne nachhaltiger. Der Impact ist hier viel größer und weitreichender, auch wenn er vielleicht nicht so direkt spürbar ist wie im kleinen Team eines Start-ups. Dazu kommt: Oftmals sind die Grenzen auch fließend. SAP zum Beispiel arbeitet mit zahlreichen Start-ups zusammen. Und viele SAP-App-und Beratungshäuser weltweit arbeiten schneller, bunter und diverser an coolen Themen, als man vermuten würde.

Meiner Meinung nach ist hier also die richtige Sicht auf die Arbeit entscheidend – und diese den jungen Menschen zu vermitteln.

Zusammengefasst: Was raten Sie Unternehmen? Wie kann ein Gen-Z-Erfolgsrezept aussehen?

Manuela Weigert: Wichtig ist es, die Gen Zler und ihre Ansichten ernst zu nehmen. Außerdem: Zuhören. So erfährt man im Kennenlerngespräch mit der jeweiligen Person, was ihr wichtig ist, bekommt einen Zugang – und kann auf der Basis gut entscheiden, inwiefern die Bewerberin bzw. der Bewerber zum Unternehmen passt und andersrum.

Dr. Reinhard Ematinger: Wir sollten die Impulse der jungen Generation nicht als Affront missverstehen und abbügeln à la „Die wollen absichtlich provozieren“. Sondern sie vielmehr als Chance begreifen, mal die Perspektive zu wechseln und Strukturen zu überdenken. Meine gar nicht so steile These ist, wenn wir beginnen, miteinander zu reden und zu verstehen, was die anderen umtreibt – und antreibt – dann wird das gut.

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