Auf Achse
Digitaler Service bei BPW Bergische Achsen KG
Auf der Basis von SAP Enterprise Resource Planning (SAP ERP) und Microsoft Azure hat die BPW Bergische Achsen KG ihren Kunden-Service digitalisiert. Und der Grundstein für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der nahen Zukunft wurde ganz nebenbei auch gelegt.
Die Herausforderungen für einen Fahrwerkshersteller wie die BPW Bergische Achsen KG dürften vielen Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen geläufig sein: Kostendruck aufgrund steigender Material-, Energie-, Fracht- und Personalkosten. Aber auch anspruchsvollere globale Lieferketten stehen auf der Liste. „Wir erschließen uns Lieferanten auch in Ländern, die wir bislang nicht im Fokus hatten. Das bringt uns weiter nach Süden und in den Osten. Dadurch werden die Lieferketten länger, globaler, anspruchsvoller, komplexer und müssen folglich auch besser abgesichert werden“, erläutert David Huperz, Leiter Digital Customer, IT & Digitalisation bei der BPW Bergische Achsen KG.
BPW Bergische Achsen KG
Die BPW Bergische Achsen Kommanditgesellschaft entwickelt und produziert als Familienunternehmen seit 1898 an ihrem Stammsitz in Wiehl bei Köln komplette Fahrwerksysteme für Lkw-Anhänger und -Auflieger. Zu den Technologien der BPW gehören unter anderem Achssysteme, Bremsentechnologie, Federung und Lagerung. Die Trailer-Achsen und -Fahrwerksysteme made by BPW sind weltweit millionenfach im Einsatz. Die inhabergeführte BPW-Gruppe beschäftigt aktuell über 6.900 Mitarbeitende in mehr als 50 Ländern.
Verlässlicher Service als Markenzeichen
Zudem müssen zeitgemäße, digitale Angebote für die Mitarbeitenden auf der Kunden- und Service-Partner-Seite geschaffen sowie die Anforderungen an einzelne Prozesse verändert werden. Gilt es doch, den „Digital Natives“ bei BPW gerecht zu werden, ohne die „Babyboomer“ und die „Generation X“ zu vernachlässigen. Das heißt, es musste der Umbruch geschafft und ein attraktives Angebot für die Kundenunternehmen und Service-Partner, aber und vor allem auch für neue Mitarbeitende entwickelt werden. „Die einen sind den persönlichen Kontakt gewohnt und telefonieren einer Bestellung hinterher. Die jüngere Generation erwartet eher, per Tracking deren Spur verfolgen zu können“, erläutert David Huperz.
Der Kunden-Service ist der direkte Ansprechpartner für alle Anfragen, z. B. zur Reklamationsabwicklung. „Guter Service ist eines unserer Markenzeichen“, so David Huperz. Bislang wurde der Kunden-Service im SAP-ERP-System abgewickelt. Die Tochtergesellschaften konnten zum Teil ihre Daten über Schnittstellen bereitstellen, und die externen Kundenunternehmen gingen den analogen oder den digitalen Weg mittels E-Mail und Formularen – mit entsprechend vielen Medienbrüchen, händischen Eingaben und Plausibilitätsprüfungen. Und ohne den Service-Partnern und Kundenunternehmen den jeweiligen Bearbeitungsstatus anzeigen zu können. Je effizienter jedoch die Bearbeitung der Service-Anfragen, desto besser kann sich der Kundendienst auf anspruchsvollere Garantiefälle konzentrieren.
Chancen durch hybride Cloud-Umgebungen
Dass die Zukunft der BPW IT in der Cloud liegt, erkannten die Verantwortlichen bereits 2016 und führten Microsoft Office 365 ein. Mit der Software-as-a-Service-(SaaS)-Lösung musste keine Zeit mehr mit Software-Updates verbracht werden und mit Azure steht ein mächtiger Baukasten zur Verfügung. „Es zeigte sich aber auch, dass das eingesetzte SAP-ERP-System, das rund um die Uhr läuft und auf dem viele Anwender:innen arbeiten, weiter als Plattform für die effiziente Abwicklung von Kundendienstprozessen benötigt wird“, erläutert David Huperz. Daher galt es, beide Welten miteinander zu verbinden und die jeweiligen Vorteile zu nutzen.
Die Kombination aus SAP ERP und Microsoft Azure bot sich für die BPW an, um u. a. die weitverbreiteten Web-Entwicklungs-Frameworks nutzen zu können. „Der Vorteil von Microsoft lag hier im React-Framework, das in Azure unterstützt wird, und über die SAP-Welt hinaus in der Web-Entwickler-Community sehr verbreitet ist. Außerdem haben wir große Freiheiten an der Kundenschnittstelle, um Applikationen zu entwickeln, mit denen wir uns von Wettbewerbern abgrenzen können“, ergänzt David Huperz. Mit entscheidend war auch, dass es zum Zeitpunkt der Auswahl kein adäquates Software-as-a-Service-(SaaS)-Angebot am Markt der SAP-Partnerlösungen gab. Die SAP Service Cloud war auch im Fokus, aber von der Eingabe her nicht so anpassbar wie gewünscht. Dafür hätte noch eine eigene Anwendung implementiert werden müssen.
Außerdem ist der Service-Prozess bei BPW anders organisiert als in der Service-Cloud gedacht. In gewisser Weise hatte auch die DSAG als stille Vermittlerin einen Einfluss auf das Projekt: Kam doch bei den Technologietagen der Kontakt zum IT-Partner zustande.
Service-freundliche Datenvalidierung
Gemeinsam musste dann die eine oder andere Herausforderung bewältigt werden. Dazu gehörten die standardnahe Integration zwischen SAP ERP und Microsoft Azure und die Implementierung der Benutzeroberfläche mit weit verbreiteten Web-Frameworks. „Auf SAP UI5 zurückzugreifen, hätte uns in diesem Fall nicht den gewünschten Return-on-Investment (RoI) gebracht“, erläutert David Huperz die Entscheidung. Aber auch eine Kund:innen- und Service-Partner-freundliche Datenvalidierung wurde umgesetzt. Im konkreten Fall des Schadenskatalogs heißt das, dass gezielt Hilfen platziert wurden, um den Anwender:innen die Auswahl und dem Kunden-Service die Nachbearbeitung zu erleichtern. Außerdem mussten Bilder und andere unstrukturierte Daten übertragen und natürlich die IT-Sicherheit gewährleistet werden.
Im Frontend wurde sichergestellt, dass dank Echtzeitdaten-Integration der Zeitverzug zwischen der Änderung eines Bearbeitungszustands und der entsprechenden Information an den Service-Partner auf wenige Sekunden begrenzt werden konnte.
Digitaler Service maßgeschneidert
Der digitale Kunden-Service wurde auf der Basis von SAP ERP und Microsoft Azure für die Anforderungen von BPW „maßgeschneidert“. Der Maßanzug wurde notwendig, weil eine Standardapplikation, die 50 Prozent dessen kann, was man braucht, nicht auf die benötigten 100 Prozent erweitert werden sollte. „Am Ende sieht man einer Anwendung an, wenn sie auf der Grundlage eines Standards zurechtgebogen wurde auf die Anforderungen, die man braucht, für die sie aber nicht entwickelt wurde“, erläutert David Huperz. Kompromisse, die man eingehen muss, um das Ganze nachher auch noch betreuen zu können, und damit vielleicht nicht alles umsetzt, was ein Fachbereich gegebenenfalls benötigt, mussten bei dieser Eigenentwicklung an so gut wie keiner Stelle eingegangen werden. Zudem erleichtert der Zuschnitt auf die konkreten Anforderungen natürlich auch die Abgrenzung gegenüber dem Wettbewerb.
Arbeitsgruppe SAP auf Microsoft Azure
Die Arbeitsgruppe mit ihren mehr als 450 Mitgliedspersonen pflegt den Austausch rund um den Betrieb von SAP-Applikationen auf der Microsoft-Plattform. Zudem werden Neuigkeiten in der Entwicklung der Plattform durch SAP und Microsoft vorgestellt und besprochen. Verbesserungsvorschläge sollen in der Gruppe gemeinsam erarbeitet und an die Hersteller kommuniziert werden.
Günstige Gesamtkosten
Ein großer Vorteil besteht zudem darin, dass es für Anwendungen wie Warranty Online, die viele User mit relativ wenigen Belegen pro User haben, attraktive Lizenzmodelle von SAP und Microsoft gibt. So wird für den Betrieb der Azure-Plattform nur das bezahlt, was verbraucht wird. „Gegenüber einer Standard-Software ist man da deutlich günstiger“, weiß David Huperz. Man muss sich zwar immer noch um die Anwendung kümmern, immer weiter investieren, aber für einen Mittelständler zu vertretbaren Kosten. Zudem sind die Implementierungs- und Betriebskosten günstig, nicht zuletzt auch aufgrund des Betriebs des Platform-as-a-Service (PaaS)-Modells durch Microsoft. „Die Server stehen nicht bei BPW, sie sind nicht von möglichen Störungen am Standort betroffen und für den eigentlichen Betrieb der Infrastruktur muss kein Personal bereitgestellt werden“, bringt David Huperz die Vorteile auf den Punkt.
Weg in die Zukunft ist offen
Wer sich für ein ähnlich gelagertes Projekt interessiert, sollte aus Sicht von David Huperz z. B. darauf achten, die entsprechenden Fachbereiche frühzeitig einzubinden. Werden agile Entwicklungsmodelle genutzt, entfällt zudem der erste Schritt, ein umfangreiches Pflichtenheft zu schreiben, zu einem Zeitpunkt, an dem viele vielleicht noch gar nicht wissen, wie eine Anwendung konkret aussehen soll. So können nach und nach die einzelnen Prozesse entwickelt und sich an das Endergebnis angenähert werden. „Wenn alles vorneweg festgelegt und dann nach einem halben Jahr festgestellt wird, dass das so nicht gewollt wurde, ist schon viel Budget und Arbeit in das Projekt geflossen“, erläutert David Huperz.
Und der Weg in die Zukunft ist damit auch offen: für weitere Azure-Bausteine, z. B. für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). Wenn das S/4HANA-Projekt wie geplant zum 1. Januar 2024 abgeschlossen sein sollte, können konkrete Anknüpfungspunkte in Bezug auf KI genutzt werden. „Ein Bereich wie das Reklamations-Management ist natürlich für die Anwendung von KI wie gemacht. Es gibt eine große Lernmenge mit Bewertungen durch die ‚menschlichen‘ Kolleg:innen, aus der sich ein neuronales Netz aufbauen lässt, um einfache Fälle zu automatisieren und beschleunigt abzuwickeln“, blickt David Huperz zuversichtlich in die Zukunft.
Bildnachweis: BPW Bergische Achsen KG, Anna Polywka
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