New Work in der Praxis
Eine Einordnung aus Sicht der DSAG-Academy
Digitalisierungsverweigernde Baby Boomer und arbeitsfaule Millennials? So simpel ist es nicht. Zwar sind eine sinnstiftende Arbeit und flexible Arbeitszeiten generationsübergreifende Wünsche, doch bei der jüngeren Generation werden sie häufig zur Voraussetzung, dass sie sich überhaupt für ein Unternehmen entscheiden. Das alles unter einen Hut zu bringen, gelingt durch New Work – dem Arbeitskonzept mit Fokus auf Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung.
Überspitzt gesagt, leben die Boomer (geboren in den 50er & 60er Jahren) noch in der Steinzeit, reiten mit dem Pferd zur Arbeit und verweigern neue Technologien. Millennials aka Gen Y aka Digital Natives (geboren in den 80er- und 90er-Jahren) dagegen sind unsicher, brauchen für jegliche Handlungen Anerkennung, interessieren sich nicht für Politik und versuchen vegan die Welt zu retten. Bedenkt man, dass diese Generationen in der Arbeitswelt aufeinandertreffen und zusammenarbeiten, kann man sich ausmalen, wie das wohl endet: im Chaos!
Oder eben nicht – wenn man sich einmal mit New Work auseinandersetzt, dem Arbeitskonzept mit Fokus auf Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung. Es umfasst alle modernen und flexiblen Formen der Arbeitsorganisation bezüglich Arbeitszeit und -ort, aber auch grundsätzlicher Unternehmensstrukturen und zukunftsgerichteter Denkmuster. Wenn die Eule und die Lerche also flexibel, selbstbestimmt und nach dem eigenen Biorhythmus arbeiten können, während sie trotzdem jederzeit für Anfragen von Mitgliedern, Kund:innen und Stakeholdern zur Verfügung stehen – dann offenbart sich darin die Idee des New-Work-Konzepts par excellence.
Weg mit starren Dienstplänen
In Organisationen, die es schon einige Jahrzehnte gibt, werden oft viele Dinge aus Gewohnheit so getan, weil es eben schon immer so lief. Die Herausforderung liegt darin, alte eingefahrene Strukturen zu überdenken und aufzubrechen. Angehörige der jüngeren Generation vermissen häufig ein gewisses Maß an Flexibilität. Die Baby Boomer, mit denen sie zusammenarbeiten, scheinen zum Teil an starren Dienstplänen und strengen Kernarbeitszeiten festzuhalten. Davon muss man sich lösen. Flexible Arbeitszeiten, selbstbestimmtes Arbeiten und eine damit verbundene Work-Life-Balance steigern Produktivität, Motivation und Wohlbefinden.
Selbstbestimmt arbeiten kann beispielsweise auch bedeuten, einen Fokus-Friday festzulegen, an dem keine Meetings stattfinden und man Liegengebliebenes abarbeiten kann. Dafür bewältigt man Meetings während der übrigen Arbeitstage fokussierter und mit mehr Energie.
Führungsposition und Gehalt zweitrangig
Der jüngeren Generation ist persönliche Weiterentwicklung im Berufsalltag sehr wichtig. Sie ist damit aufgewachsen, sich via Social Media, YouTube und durch Podcasts in Eigenregie Wissen anzueignen. Immer mehr Berufseinsteiger:innen fragen deshalb während des Vorstellungsgesprächs nach Weiterbildungsangeboten und dem dafür zur Verfügung stehenden Budget. Gestaltungsspielraum ist der jüngeren Generation wichtig. Die Arbeit sollte Sinn stiften, Führungsposition und Gehalt kommen an späterer Stelle.
Positives Mindset und eine angenehme Arbeitsatmosphäre entstehen auch, wenn Führungspositionen geteilt werden (Co-Leadership). Ältere Generationen können damit nach unserer Beobachtung noch ein Problem haben. Teilen sich zwei Personen eine leitende Stelle, bedeutet dies, dass sie auf Augenhöhe miteinander arbeiten, sich gegenseitig vertrauen und wichtige Entscheidungen gemeinsam als Team und im Sinne das Unternehmens treffen. Nicht zwei machen den gleichen Job, den sonst einer macht – nein, zwei Personen machen einen Job doppelt so gut und durch die gegenseitige Verstärkung auch mit höherer Effizienz. Sie nutzen die Stärken des/der jeweils anderen, halten sich gegenseitig den Rücken frei und sind in der Lage, die Aufgaben des Gegenübers zu übernehmen. Bedingung dafür sind kurze Kommunikationswege und ein ständiger Austausch.
Den Status quo permanent hinterfragen
Die Umsetzung eines solchen Konzepts ist komplex. Es erfordert mehr Einsatz, Reflektion, Kreativität und Agilität jedes Teammitglieds. Das Verstecken hinter eingefahrenen Strukturen und Prozessen wird nahezu unmöglich. Dadurch, dass wir in einer digitalisierten und schnelllebigen Welt leben und arbeiten, sehen wir aber auch eine immer größer werdende Offenheit der Gesellschaft gegenüber Veränderung. Besonders für die jüngere Generation ist es zur Normalität geworden, mental flexibel zu bleiben und sich ständig auf Neues einzustellen. Das ständige Hinterfragen des Status quo sehen wir als Potenzial, eingefahrene Strukturen aufzubrechen und bestehende Prozesse zu verbessern.
Regeln und Prozesse, die in einer Organisation einmal festgelegt wurden, hinterfragen Millennials also grundsätzlich eher kritisch und machen proaktiv Vorschläge, wie sich die Zusammenarbeit erleichtern lässt. Wir sind davon überzeugt, dass viele der Bedürfnisse, die hier repräsentativ für die nachkommenden Arbeitskräfte dargestellt wurden, auch für die älteren Generationen gelten. Flexible Arbeitsmodelle, Gestaltungsspielraum und Sinnsuche sowie Arbeiten auf Augenhöhe … die Anforderungen an Arbeit und unser Leben sind dieselben. Nun müssen Unternehmen die Rahmenbedingungen schaffen, um diesen Anforderungen gerecht zu werden und der älteren Generation – oder sogar sich selbst – erleichtern, eingefahrene Strukturen zu verlassen. Wunsch und Wirklichkeit klaffen hier zum Teil noch auseinander.
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