Mit Tempo zur grünen Berichterstattung
Auf dem Weg zu nachhaltigem Handeln und um u. a. die eigenen Klimaziele zu erreichen, nutzt die EWE AG die EU-Taxonomie.
Ziel ist es, ihre Leistungen und Fortschritte konsistent und vergleichbar zeigen zu können. Welcher Kraftakt in der Praxis hinter den neuen Nachhaltigkeitsberichtspflichten steckt – nicht zuletzt wegen ambitionierter Zeitpläne und kleinteiliger Vorgaben seitens der Gesetzgebung –, das weiß Jens Voget, Mitarbeiter Konzernrechnungswesen und Steuern beim Oldenburger Energieversorger.
Klimaschutz hat bei EWE traditionell einen hohen Stellenwert und bestimmt das Handeln seit jeher. So sind u. a. eine klimaschonende Versorgung und die Förderung von Nachhaltigkeit ein wesentlicher Bestandteil der strategischen Ausrichtung, und das aus gutem Grund: „Uns ist bewusst, dass wir in der Energiewirtschaft der Sektor mit dem höchsten CO2-Ausstoß Deutschlands sind“, sagt Jens Voget. „Auch deshalb wollen wir, quasi aus unserer Schlüsselrolle heraus, die Energiewende hin zu einer regenerativen, CO2-armen Energieversorgung sowie die Reduzierung unseres eigenen CO2-Fußabdrucks vorantreiben und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen schaffen.“
Mit Erfolg, denn bereits heute erzeugt EWE mehr als 65 Prozent Energie aus erneuerbaren Energieträgern. Ein wichtiger Aspekt ist hierbei – neben rein praktischen Maßnahmen wie z. B. die Windenergienutzung an Land auszubauen oder eine eigene Treibhausgasbilanz zu erstellen – ein umfassendes Nachhaltigkeits-Reporting zur Schaffung von Transparenz.
Die Zukunft jeden Tag gestalten
Zum Hintergrund: Der EWE-Konzern befindet sich überwiegend in kommunaler Hand. Kernregion ist der Nordwesten Deutschlands, aber auch in Brandenburg sowie auf Rügen und im Ausland ist EWE aktiv. Telekommunikationslösungen finden sich teilweise auch in Nordrhein-Westfalen, die IT-Dienstleistung der Konzerntochter BTC ist auch international erhältlich. So existieren unterm Strich um die 60 Einzelgesellschaften, die für das Nachhaltigkeits-Reporting mal eine große und mal eine weniger große Rolle spielen. „Hierfür mussten wir uns 2021 gemeinsam mit der Konzernentwicklung erst einmal klar darüber werden, wer wie wann welche Daten einsammelt“, erklärt der Referent Konzernrechnungswesen und Steuern. Im ersten Schritt sind er und sein Team über die Business-Partner an die einzelnen Gesellschaften herangetreten und haben Interviews geführt.
Basis geschaffen
„Primär waren Fragen wichtig, ob die primäre Geschäftstätigkeit der einzelnen Gesellschaften jeweils unter die EU-Taxonomie fällt und wie sie zu klassifizieren ist“, erklärt Jens Voget. Parallel dazu startete das Teilprojekt, in dem alle erforderlichen Daten gesammelt werden sollten. Dafür wurden systemseitig Zusatzangaben für die drei Kennzahlen Umsatz, CAPEX und OPEX definiert. „Wir haben ganz klar formuliert, welche Zahlen wir brauchen, ‚aligned and eligible‘. Mit Analysis for Office haben wir anschließend einen Bericht erstellt, mit dem uns die Kennzahlen auf Knopfdruck zur Verfügung stehen, die dann wiederum in der Nichtfinanziellen Erklärung (NFE) von EWE veröffentlicht werden.“
Neue Schwierigkeitsstufen
Während EWE 2021 noch die Vereinfachungsregelung für die Offenlegung der EU-Taxonomie in Anspruch nahm und nur reduziert Angaben ablieferte, änderten sich die Anforderungen 2022 signifikant. „Erstmalig mussten wir die Konformitätsprüfung durchführen und die vollumfänglichen Berichtsinhalte veröffentlichen“, beschreibt Jens Voget die aktuellen Herausforderungen. Und während die Zahlen aktuell nur einmal jährlich, nämlich zum Jahresabschluss, vorliegen, wird das Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung künftig immer weitere Kreise ziehen. „Alleine die Umweltziele und die Regelungen der EU-Taxonomie einzuhalten und abzufragen, kann eine ganze Abteilung beschäftigen“, ist Jens Voget sicher.
Betrachtete Aktivitäten zur EU-Taxonomieverordnung
- EWE wird bis 2035 klimaneutral.
- Da unterschiedliche Bereiche das Klima beeinflussen, müssen ganzheitliche Lösungen und vielfältige Ansätze gefunden werden.
- Die Energie- und Verkehrswende sind Teilbereiche und auch Wasserstoffanwendungen und synthetische Kraftstoffe helfen bei diesem Ziel.
- Alle Facetten des Klimas müssen berücksichtigt werden.
Grenzen lösen sich auf
Hinzu kommt, dass die neue Berichterstattung nicht an Abteilungsgrenzen Halt macht, sondern als übergreifendes Thema den gesamten Konzern betrifft – „und in diesem Zusammenhang stellen sicher nicht nur wir bei EWE uns die Frage, wie wir dies in unserer Organisationsstruktur abbilden können und müssen“, sagt Jens Voget. Für 2022 haben er und seine Kolleg:innen die Anforderungen schon definiert, geliefert werden die Zahlen via Schnittstelle ins SAP S/4HANA Finance for Group Reporting.
IT-Unterstützung ist ausbaufähig
Zahlenwerk ist das eine, Text das andere – und davon gibt es im Regelwerk genug. Das sehen laut dem Rechnungswesenexperten andere Energieversorger ähnlich: „In regelmäßigen Abständen tauschen wir uns branchenintern sowie auch -übergreifend aus.“ Und während die Mitarbeitenden im Rechnungswesen mit Berichten und Abschlüssen und nun auch der neuen Nachhaltigkeitsberichterstattung beschäftigt sind, läuft die S/4HANA-Migration parallel im Hintergrund, wie Jens Voget berichtet. „Teilweise arbeiten wir schon mit S/4HANA-Gesellschaften, aber SAP R/3 existiert tatsächlich auch noch. Die Umstellung erfolgt nun Zug um Zug, realistisch betrachtet wird es dauern, bis die Umstellung vollumfänglich abgeschlossen ist.“
Organisation neu denken
Neben der technischen Umsetzung stehen die fachliche sowie die organisatorische Umsetzung auf der Agenda. Die Abstimmung mit Wirtschaftsprüfer:innen ist dabei ein wichtiger Punkt, und die kann sehr zeitintensiv sein. „Unsere Lage heute ist vergleichbar mit der Einführung neuer IFRS-Standards“, so Jens Voget. „Es gibt noch viele Unklarheiten, vage Definitionen, einige definierte Kennzahlen, die aber von denen in der Rechnungslegung abweichen und so weiter.“
EWE AG
EWE arbeitet in unterschiedlichen Geschäftsfeldern wie Energienetze, Telekommunikation, Informationstechnologie oder auch Mobilität und Wasserstoff. Mit über 9.500 Mitarbeitenden und rund 6,1 Mrd. Euro Umsatz im Geschäftsjahr 2021 gehört EWE mit seinem Hauptsitz im niedersächsischen Oldenburg zu den großen Energieversorgern Deutschlands, befindet sich überwiegend in kommunaler Hand und beliefert allein im Stromsegment rund eine Million Haushalte mit Energie.
Bildnachweis: EWE AG, freepik+Shutterstock+Daniella Winkler
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