Transformation needs Sustainability
Keine Buzzwords, sondern hieb- und stichfeste Regulatorik
Green Deal, European Sustainability Reporting Standards oder EU-Taxonomie sind nur ein paar Themen, mit welchen sich alle Unternehmen beschäftigen müssen – quasi ein Standard für Nachhaltigkeit. Dazu kommen das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und die erneut verschärfte Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung: nur eine Herausforderung von vielen. Christine Grimm, DSAG-Fachvorständin Transformation und seit 2023 auch für Sustainability zuständig, weiß aus eigener Erfahrung, wie anstrengend und anspruchsvoll Sustainability sein kann.
Neue Gesetze und Vorgaben, die im Alltag handfeste Aktionen nach sich ziehen, sind u. a. das LkSG, die EU-Taxonomie oder auch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Die Liste ließe sich noch beliebig weiterführen.
Wie weit sind aus Ihrer Sicht die DSAG-Mitgliedsunternehmen heute dafür gewappnet?
Christine Grimm: Wir befürchten, dass der Großteil unserer Anwenderunternehmen noch nicht realisiert hat, dass viele dieser neuen Berichtspflichten und Gesetze auch für sie gelten, denn das LkSG war nur der Anfang. Viele der Unternehmensarchitekturen dürften noch nicht dafür ausgelegt sein, Daten in der nun erforderlichen Granularität darzustellen und sie auch final in einer „grünen Datenlandschaft“ zusammenzuführen. Und ganz wichtig, was auch noch nicht zu 100 Prozent in den Köpfen angekommen ist: Alle Organisationen eines Unternehmens sind an Sustainability beteiligt. Es ist quasi ein Team-Sport. Zwar ist Finance der Hub für das Reporting, aber der Kreis dreht sich bei Sustainability noch viel weiter und betrifft das Unternehmen als Ganzes. Und dann kommen ganz automatisch Fragen auf wie: Wem gehören die Daten? Wer pflegt sie ein? Wer prüft? Das ist fernab von allen technologischen Themen die erste große Hürde, die unsere Mitgliedsunternehmen haben: Zu verstehen, worum geht es überhaupt, bin ich betroffen und falls ja, in welchem Ausmaß.
Inwieweit kann die IT unterstützen, aktuelle und künftige Anforderungen abzubilden und umzusetzen?
Die wichtigste Frage in diesem Zusammenhang ist: Ist die IT überhaupt eingebunden? Schließlich ist Sustainability nicht nur ein zusätzliches Excel-Sheet, was schnell mal nebenbei ausgefüllt wird. Sustainability ist ein ständiger Prozess. Deshalb gibt es auch die große Notwendigkeit einer Architektur, die Sustainability in ihrer Gesamtheit abbildet. Und genau an dieser Stelle kommt der transformatorische Aspekt von Sustainability ins Spiel: Wenn das Reporting im ersten Jahr noch eine Toleranzgrenze bezüglich Abweichungen oder Unschärfen hatte, ist das im nächsten Jahr möglicherweise schon Geschichte. Und ab 2025 muss man dann exakt dokumentieren, was sich verändert und wo man sich verbessert hat. Diese Aussagen basieren auf Datenströmen, die in eine Datenarchitektur integriert und abgebildet werden müssen. Und hier schließt sich der Kreis wieder bei der IT, deren Aufgabe es ist, das Projekt zu begleiten, die Architektur bereitzustellen und die Transformation zu unterstützen. Die IT ist wichtige Treiberin und Unterstützerin!
Nach notwendigen Transformationsprojekten nun auch noch Sustainability obendrauf:
Wie sollen Anwender:innen all diese Vorhaben „in time and on budget“ schaffen?
Die gute Nachricht ist, dass die vielen Unternehmen, die sich aktuell mit der Transformation zu S/4HANA und der Cloud-Welt beschäftigen, ihre Architekturen sowieso anpassen möchten. Warum also nicht einen größeren Bogen machen und Sustainability ebenfalls angehen? Wenn Unternehmen sowieso Daten beschaffen, und das aus jedem Unternehmensbereich wie Lieferketten, Einkauf, Produktionsstätten etc. definieren und zusammenbringen müssen, könnten sie den Blick in diesem Moment auch ganz weit nach vorne richten und sämtliche Geschäftsaktivitäten an der „Green Line“ ausrichten. Denn egal, was ein Unternehmen X ab dem Tag Y tut, was es einkauft, produziert, mit welchen Geschäftspartnern es zusammenarbeitet: All das muss genau reportet werden und auch nach vorne gerichtet stattfinden.
Was genau bedeutet das für Forderungen seitens DSAG in Richtung SAP?
Wir als DSAG und unsere Mitgliedsunternehmen brauchen dringend ein besseres Verständnis über die strategische Bedeutung dessen, was SAP künftig als „Green Business Model“ unterstützt und wie die Roadmap dorthin aussehen soll. Wie ändert sich das Datenmodell? Wie gelingt Unternehmen die Integration? Oder auch schon konkreter gefragt: Was bedeutet es für ein Unternehmen, das derzeit mit einer S/4HANA-Transformation unterwegs ist? Wie sieht der Weg zu einem „Green Reporting“ aus? Und ganz wichtig: Wie schaffen es SAP-Anwender:innen, nicht das hundertste Silo zu generieren, dazu noch ein Taxonomie-, ein Carbon-Footprint- und ein CSRD-Silo obendrauf zu stapeln, sondern von Beginn an alles zusammenzubringen, damit Effizienz und Durchgängigkeit endlich auch in den Prozessen gelebt werden können. Sustainability ist äußerst komplex, und für komplexe Aufgaben gibt es keine einfachen Lösungen.
Worauf sollten Unternehmen ein ganz besonderes Augenmerk richten?
Ein Kardinalfehler wäre, die Transformation hauptsächlich aus prozessualer und technologischer Sicht oder nur als Silo zu betrachten. Sustainability ist künftig – und hier spreche ich aus eigener Erfahrung – ein fester, mehrdimensionaler Bestandteil jedes Transformationsvorhabens. Das Besondere ist, dass nun zu der organisatorischen, technologischen und der kulturellen Komponente noch eine vierte Dimension, die Komponente „Sustainability“ kommt. Sie ist ein Muss, damit ein Transformationsprojekt im Zukunft erfolgreich ist. Ist das jeder und jedem bewusst, ergeben sich viele Synergien. Und wenn dann noch ein Bewusstsein für die gemeinsame Verantwortung existiert, ist schon viel gewonnen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Bildnachweis: DSAG, Shutterstock
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