Ohne Change-Management keine Transition
SAP S/4HANA im Finanzbereich auf der grünen Wiese in einem Big Bang – SPAR Österreich geht bei der Erneuerung seiner ERP-Landschaft aufs Ganze.
Wenn ein großer Handelskonzern sich für ein solches Mammutprojekt entscheidet, muss klar sein: Ohne intensives Change-Management ist dies zum Scheitern verurteilt. IT-Geschäftsführer Andreas Kranabitl und Veronika Mayer aus der Finanzabteilung vollziehen den Wechsel daher konsequent. Den Umstieg auf die neue SAP-Produktgeneration begreifen sie als einmalige Chance.
Veronika Mayer ist Leiterin des Competence & Service Centers im Fachbereich Finanzen bei SPAR Österreich. Dass sich in ihrem Bereich etwas grundlegend ändern muss, ist der Finanzfachfrau im Jahr 2018 so richtig klar geworden, nach einem Gespräch mit ihrem Kollegen Andreas Kranabitl, Managing Director der SPAR-IT-Gesellschaft Business Services GmbH (ICS), der kurz zuvor ein CFO-Forum eines großen Beratungsunternehmens in Frankfurt/Main besucht hatte.
„Wir haben erkannt, dass wir den klassischen SAP-FI/CO-Bereich mit seinen operativen Tätigkeiten des Verbuchens und Kontrollierens hinter uns lassen müssen“, sagt Veronika Mayer. „Die Zukunft sieht anders aus. Das Finanzwesen verändert sich derzeit in Richtung eines Enterprise-Strategy-Enablers.“ Will heißen: Es gewinnt an Bedeutung für die strategische Unternehmenssteuerung. Möglich wird dies durch neue Technologien, von KI zum Erkennen von Anomalien bei Inventuren oder in der Planung bis hin zum großen Ganzen: der Neugestaltung der ERP-Landschaft. Bei SPAR Österreich führt dies gradlinig hin zum Umstieg auf S/4HANA, von dessen ausgefeilten Echtzeit-Analysemöglichkeiten der Konzern künftig profitieren will.
Gleiche Idee, gleiches Interesse
Nach der Erfahrung von Andreas Kranabitl fällt es Fachbereichen oft schwer, in diese Transformation hineinzugehen. „Die IT braucht aber immer einen Business-Partner, der im gleichen Moment die gleiche Idee oder das gleiche Interesse hat.“ Bei SPAR Österreich gibt es ein solches glückliches Zusammentreffen. Schon seit vielen Jahren verbindet IT und Finanzabteilung eine überaus enge Kooperation in organisatorisch-technischen Fragen. „Der Fachbereich Finance/Controlling ist der erste, mit dem wir wirklich strategisch arbeiten. Wir planen gemeinsam die Zukunft, und dies in einem kontinuierlichen Prozess, weit über rein punktuelle Projekte hinaus, wie man sie als IT mit anderen Bereichen sonst immer wieder hat“, so Kranabitl. Mindestens zwei Themen-Workshops gibt es pro Jahr, außerdem wurden interdisziplinäre Teams gebildet, die die Module in SAP weiterentwickeln. Die Aktivitäten ziehen sich bis in die operativen Bereiche hinunter.
Auf diese Weise sei es u. a. gelungen, die Anzahl der SAP-Tickets innerhalb von zwölf Monaten zu halbieren. Veronika Mayer fungiert mit ihrer Abteilung als Schnittstelle zwischen IT einerseits und dem Finanzbereich auf der anderen Seite. Perspektivisch versteht sie sich aber als Bindeglied auch zwischen anderen Abteilungen und der IT. Ein enger Austausch findet auch innerhalb der DSAG statt. Angehörige von SPAR und SPAR ICS sind in verschiedenen Arbeitskreisen zu speziellen Themen und Prozessen rund um Rechnungswesen und Controlling aktiv.
SAP-Konsolidierung als Startpunkt
Im Finanzwesen startet der Umstieg auf die neue SAP-Produktgeneration, weil die technischen Grundvoraussetzungen dort am weitesten gediehen sind. Noch bis zur Jahrtausendwende agierten SPAR Österreich und die einzelnen Landesgesellschaften in Ost- und Westeuropa im Finanzbereich mehr oder weniger unabhängig voneinander. Dann wurden die SAP-Finance-Systeme aller Länder auf einem System und auf zentralen Strukturen zusammengeführt.
Wegweisendes Zukunftsprojekt
„Von der Organisation und der Systemarchitektur her sind wir damit gut aufgestellt und besser konsolidiert als andere Unternehmensbereiche wie etwa Warenwirtschaft oder Personal. Deshalb beginnen wir hier mit der S/4HANA-Transformation“, wie Andreas Kranabitl erklärt. Diese ist für beide das bislang wegweisendste gemeinsame Zukunftsprojekt. „Wir wollen mit Daten und Analytik die Rolle des CFO in Richtung Business-Enablement vorantreiben“, beschreibt Veronika Mayer die übergeordnete Vision. „Es war klar, dass das nur mit einer modernen ERP-Landschaft wie S/4HANA funktioniert.“
Allen ist bewusst, dass sich mit S/4HANA Finance die Prozesse im Rechnungswesen radikal verändern. Durch neue Automatismen werden viele Arbeiten in diesem Bereich künftig grundlegend anders ablaufen als bisher. Das Projekt-Team arbeitet daran, bestehende Prozesse zu überdenken und so zu verändern, dass sie zur neuen Software passen. Veronika Mayer: „Uns ist klar, dass viele alte Zöpfe abgeschnitten werden müssen. Unsere Prozesse sollen sich wieder mehr in Richtung SAP-Standard orientieren, um die neuen Technologien später auch schnell nutzbar machen zu können.“
Livestreams vermitteln Change-Spirit
Umso größer die Veränderungen im Unternehmen, umso wichtiger ist es, jede:n Beschäftigte:n zum bzw. zur Verbündeten zu machen, der bzw. die mit an der Sache arbeitet und heiß darauf ist. Dies ist Andreas Kranabitl und Veronika Mayer gelungen. Weil Motivation der kritische Erfolgsfaktor ist, haben sie zum Beispiel ein Medienstudio aufgebaut. Dort werden regelmäßige S/4HANA-Livestreams ausgestrahlt, aufgezeichnet und über digitale Medien mit der Belegschaft geteilt. Das Format kommt gut an; es hat in den vergangenen Monaten die Basis für eine erfolgreiche S/4HANA-Transformation geschaffen.
Im letzten Jahr eröffnete das Handelsunternehmen außerdem seinen „Hub X“ – ein in der IT-Abteilung angesiedeltes Büro als Mittelpunkt für die digitale Transformation. Dort können sich Kolleg:innen der Fachbereiche Digital Marketing SPAR ICS und Marketing SPAR Österreich interdisziplinär über neue Arbeitsformen und -prozesse austauschen – in der S/4HANA-Welt, aber auch darüber hinaus, denn innovativ ist die IT der SPAR Österreich schon lange. Beide Fachbereiche sind im IT-Headquarter zusammengeführt und arbeiten gemeinsam im IT-Hauptquartier in Salzburg, um Synergien zwischen IT und Business zu stärken.
2007 hat Andreas Kranabitl SAP Retail im Kernbereich eingeführt, und 2015 startete der flächendeckende Einsatz von SAP Hybris im E-Commerce. Hier wurde erst im November 2022 der Vertrag für die SAP Commerce Cloud abgeschlossen. SPAR Österreich war auch eines der weltweit ersten Unternehmen, das SAP BW on HANA mit mehreren Terabyte Daten einführte und dafür sogar einen Innovationspreis erhielt.
Komplettmodernisierung erfordert Greenfield
Anfang 2023 lief die vierte und letzte Testmigration, der Go-live ist für Mai 2023 in einem Big-Bang-Szenario terminiert. Der Greenfield-Ansatz ist für IT-Experte Kranabitl der einzig gangbare Pfad, mit dem eine zukunftsorientierte Systemarchitektur möglich ist. Nicht jedes Unternehmen, das auf S/4HANA umsteigt, sei gleichzeitig gewillt, seine Prozesse zu verändern und sich am SAP-Standard zu orientieren. Oft stehe auch die rein technische Perspektive im Vordergrund. In diesen Fällen könne man durchaus mit einem Brownfield-Ansatz besser fahren. Bei einer Komplettmodernisierung, wie sie sich SPAR Österreich auf die Fahnen geschrieben hat, führe jedoch an Greenfield kein Weg vorbei, sind Kranabitl und Mayer überzeugt.
Bei der Diskussion um S/4HANA kam anfangs auch die Frage auf, ob Cloud oder On-Premise das geeignetere Betriebsmodell sei. „Es gibt heute immer weniger Fachleute, die SAP-Basisbetrieb und Datenbanken beherrschen. Auch deshalb haben wir uns für die Cloud-Variante entschieden“, erklärt Andreas Kranabitl. Damit taten sich zwei Alternativen auf: ein eigenständiger Vertrag mit einem Rechenzentrum/Hyperscaler oder Cloud-Hosting durch SAP über das RISE-Programm. Auch hier hat sich der IT-Fachmann für die enge Anbindung an SAP entschieden. Vorteil: Der ERP-Anbieter betreibt und betreut die Applikation in der Cloud mit einem eigenen Team. Andreas Kranabitl und seine Kolleg:innen müssen sich mit der SAP-Basis nicht eingehender auseinandersetzen.
Direkt im Anschluss an den Go-live sollen noch Prozessverbesserungen weitergetrieben werden, die das Projekt-Team nicht mit dem Big Bang zusammenlegen wollte. Gleichzeitig startet eine einjährige Hypercare-Phase. Während dieser wird der beauftragte Implementierungspartner Hilfestellung bei finanztypischen Prozessen leisten, die nur einmal jährlich stattfinden, wie etwa beim Jahresabschluss oder bestimmten Planungen. Anschließend will SPAR Österreich das System weitgehend eigenständig betreuen. S/4HANA stellt dann die zentrale Schaltstelle für die digitale Transformation im Unternehmen dar. Diese findet mittlerweile überall statt: vor den Regalen, in Form von mobilen Apps für Kund:innen, elektronischen Regaletiketten oder eines neuen Kassensystems. Oder dahinter, wenn das Handelsunternehmen seine Supply-Chain und die Logistikzentren digitalisiert und automatisiert.
Moderne IT federt Arbeitskräftemangel ab
All dies geschieht nicht zum Selbstzweck. „Wir finden einfach nicht genug Arbeitskräfte“, erklärt Andreas Kranabitl. „Moderne IT-Infrastruktur hilft uns, trotz dieser Misere unserer Kundschaft bestmöglichen Service zu bieten. Zum Beispiel dadurch, dass durch Einsatz von künstlicher Intelligenz frische Lebensmittel heute drei Tage früher in den Markt gelangen.“ Mit der Finanzabteilung im engeren Sinne haben solche Neuerungen zunächst zwar nichts direkt zu tun. Die Finanzprozesse bilden vom heutigen Standpunkt aber die wesentliche Keimzelle für alles, was sich bei SPAR Österreich technologisch und organisatorisch in eine neue Richtung bewegt und im Unternehmens-Claim ausdrückt: „We create retail future.“
SPAR Österreich
SPAR Österreich ist ein zu 100 Prozent privates österreichisches Familienunternehmen und über die Grenzen hinaus in sieben Nachbarländern in drei Geschäftsfeldern tätig – Lebensmittelhandel, Sportfachhandel und im Bereich Shopping-Center. Der Brutto-Verkaufsumsatz der gesamten Gruppe betrug 2021 etwa 17,37 Mrd. Euro. Insgesamt beschäftigt die SPAR Österreich-Gruppe über 90.000 Mitarbeitende und ist mit über 50.000 Mitarbeitenden der größte private Arbeitgeber Österreichs.
Bildnachweis: SPAR Österreich, Neumayr/Leo 24.11.2022
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