Organizational Transformation Management ist ein Erfolgsfaktor für Transformationsprojekte
Aktuelle Studie des DSAG-Ressorts Transformation: timeS/4change
Christine Grimm, DSAG-Fachvorständin Transformation & Sustainability und Dr. Marion Schreier vom Arbeitskreis Pre-Transformation berichten über die Studie timeS/4change sowie eigene Erfahrungen und geben Empfehlungen für ein erfolgreiches Change-Management.
Im Ressort Transformation liegt der Fokus darauf, wie sich SAP-Anwendungsunternehmen erfolgreich auf die Herausforderungen einer SAP-Transformation vorbereiten können. Dabei geht es sowohl um technische und prozessuale Tools, Methoden und Lösungen als auch um organisatorische und menschenbezogene Aspekte.
Was war die Motivation im letzten Jahr eine Studie zur Relevanz von Change-Management in SAP-Transformationsprojekten zu erarbeiten?
Christine Grimm: Bereits 2021 haben wir eine erste Studie in unserem DSAG-Ressort zum Thema S/4HANA Transformation erarbeitet. Damals hatten wir die Erfolgsfaktoren im Change-Management im Fokus. Schon damals war OTM für mich ein absolut kritischer Erfolgsfaktor für SAP-Projekte bzw. ganz generell für Transformationen, die wesentliche Veränderungen mit sich bringen. Im letzten Jahr haben wir die Studie weitergeführt, umherauszufinden, welchen Einfluss das Thema hat und was die Erfahrungen von verschiedenen Unternehmen sind. In unserer Arbeit im Ressort, aber auch in meinem persönlichen Netzwerk, bekomme ich mit, dass SAP-Transformationsprojekte oft an organisatorischen oder menschenbezogenen Themen zu scheitern drohen. Die aktuelle Studie „timeS/4change“ zeigt deutlich: Wer von Anfang an die Transformation durch ein professionelles Change-Management begleitet, schneidet beim Projekterfolg deutlich besser ab.
Frau Schreier, Sie und Ihre Kolleg:innen im Arbeitskreis Pre-Transformation haben die Studie zusammen mit der DSAG erstellt. Wie war die Herangehensweise und welche Erkenntnisse haben Sie besonders überrascht?
Marion Schreier: Wir haben 168 Experten aus unterschiedlichen Unternehmen zu 37 Aspekten aus neun Change-Kategorien und zum Erfolg ihres Transformationsprojekts befragt. Die Studie hat gezeigt, dass Unternehmen, die alle neun Kategorien bewusst und erfolgreich gestalten, um ein Vielfaches besser beim Projekterfolg abschneiden (siehe Grafik). Das war teilweise zu erwarten, aber in der Deutlichkeit überraschend. Die Kategorien des Change-Managements haben eine sehr hohe, signifikante Beziehung zur Gesamtbewertung des Projekts, zur Nutzerakzeptanz sowie zur Einhaltung des Budgets und des Zeitplans. Solche Korrelationen sieht man nur selten. Unser Rückschluss daraus: Alle Kategorien müssen bewusst gestaltet werden, um Projektrisiken zu minimieren.
Wer ist bzw. wer sollte für das Thema Organizational Transformation Management bei SAP-Transformationen verantwortlich sein? Und welche weiteren Beteiligten braucht es, um erfolgreich zu sein?
Christine Grimm: In diesem Kontext sehe ich Führungskräfte als Hauptakteure. Und zwar bereits zu einem frühen Zeitpunkt. Es geht darum, die richtigen Weichen zu stellen, damit eine geeignete Begleitung für eine Transformation sichergestellt werden kann. OTM sollte eine separate Projektrolle sein und nicht einfach von einem Projektleiter nebenher mitgemacht werden. In unserem SAP-S/4HANAProjekt bei Freudenberg Corporate beispielsweise haben wir uns damals ganz bewusst dazu entschieden, dass das Change-Management von einem externen Experten mit einer klaren „outside-in Perspektive“ wahrgenommen wird. Das hat den Vorteil, dass es eine neutrale Instanz zwischen Projekt, Business, IT und Implementierungspartner gibt. Idealerweise wird die Change-Management Expertise für zukünftige Projekte auch innerhalb der Organisation aufgebaut, um solche Transformationen auch von innen heraus zu unterstützen. Beispielsweise könnten externe OTM-Experten und/oder Verantwortliche für People & Culture, wie z.B. im HR-Bereich, Hand in Hand mit einem internen Netzwerk von Multiplikatoren oder Change-Agenten arbeiten.
Kommen wir noch einmal auf den Aspekt der frühzeitigen Einbindung des Change-Managements zu sprechen. Welche sind die wichtigen Punkte, die früh gestartet werden sollten?
Marion Schreier: Idealerweise sollte bereits zu Beginn des Transformationsprojekts, zum Beispiel im Rahmen des Vorprojekts, eine Analyse der „Organizational Change Readiness“ stehen. Ähnlich wie man es aus einem Assessment der technischen und prozessualen Gegebenheiten kennt, sollte man sich die organisatorische und kulturelle Reife des Unternehmens und seine Besonderheiten anschauen, um ein maßgeschneidertes Vorgehen ableiten zu können. Häufig werden nur die “harten Fakten” analysiert, also Strukturen, Prozesse, aktueller Harmonisierungs-, Standardisierungs- und Automatisierungsgrad. Zusätzlich sollte der Fokus auch auf die emotionalen oder kulturellen Themen gelegt werden. Beispielsweise: Wie steht es um die kollektive Veränderungsbereitschaft im Unternehmen? Wie vertrauensvoll ist die Zusammenarbeit der IT mit den Fachbereichen? Welches Standing haben Regionen und wie werden Entscheidungen getroffen? Wie ist die Grundstimmung? Was sind typische Denk-, Fühl- und Verhaltensmuster, die zu einer echten Herausforderung im Change werden können oder in der Kommunikation bewusst angesprochen werden sollten? Oder ganz konkret: Welche Ängste und Widerstände sind mit dem Projekt verknüpft und müssen bewältigt werden? Die Antworten auf diese Fragen nehmen starken Einfluss darauf, wie intensiv und in welcher Art das Change-Management aufgesetzt werden muss.
OTM ist eine Disziplin, die also über die gesamte Projektdauer relevant ist. Ist mit einem Go-live die Arbeit im Change-Management erledigt?
Christine Grimm: Ich sehe eine wichtige Aufgabe für das Change-Management als Begleiter für unterschiedliche Stakeholder in allen Phasen. Nicht nur vor und während einer SAP-Transformation, sondern auch über das eigentliche Projektende hinaus, wenn es darum geht die Ziele nachhaltig in der Organisation und bei den Menschen zu verankern.
Marion Schreier: Das kann ich nur bestätigen. Ausgehend von den neun Change- Management-Themenfeldern lassen sich phasenabhängig bestimmte Aktivitäten ableiten. Die Change-Readiness-Analyse oder eine Stakeholder-Analyse sind in den frühen Projektphasen relevant. Eine Change-Impact-Analyse als Einstieg in die organisatorische Transformation startet später. Genauso auch die Konzeption und die Durchführung der Trainings. Was aber mindestens genauso wichtig – und deutlich schwieriger ist, weil es dafür keine Standard-Methodik gibt – ist die kontinuierliche Gestaltung der Zusammenarbeit im Projekt, die Lösung von Interessens- und zwischenmenschlichen Konflikten, die Vermeidung von politischen Verhaltensweisen, das Stimmungsmanagement und das Aufrechterhalten der Motivation. Auch das sind zentrale und vor allem erfolgskritische Verantwortlichkeiten im Change-Management – und zwar von Beginn des Projekts bis über den Go-Live hinaus.
Wie geht es mit dem Thema OTM weiter und wie können sich die DSAG-Mitglieder über die Inhalte und Learnings der Studie informieren?
Christine Grimm: Mein Wunsch ist es, dass wir als DSAG Ressort Transformation dazu beitragen können, dass für das Change-Management eine gewisse Methodik zur frühzeitigen und über alle Transformationsphasen andauernde Begleitung entsteht. Da sind wir schon auf einem sehr guten Weg. Mit der Studie und den darin analysierten und beschriebenen 9 Change Kategorien haben wir dahingehend bereits viel geschafft! Zum Umgang mit der Studie: Diese haben wir erstmals beim DSAG-Jahreskongress 2023 vorgestellt. Seit Anfang 2024 haben wir eine Workshop-Reihe im Ressort Transformation, organisiert vom Arbeitskreis Pre-Transformation. Wir haben bis jetzt eine sehr gute Resonanz auf die Workshops. Wir befassen uns dort mit den Studienergebnissen, den zuvor vor Marion beschrieben Change-Disziplinen und entsprechenden Best-Practices und Learnings. Wir bieten hier die Chance zum Austausch mit Experten und anderen DSAG-Mitgliedern. Sehr empfehlenswert! Generell gilt, dass die Studie „timeS/4change“ allen Ressorts, Arbeitskreisen und DSAG’lern zur Verfügung steht. Ansprechpartner aus unserem Ressort und dem AK Pre-Transformation finden sich im DSAGNet. Wir freuen uns sehr, wenn wir mit der Studie einen weiteren Beitrag für unsere DSAG-Community bieten können.
Vielen Dank für den Einblick in die Arbeit im Ressort und in die Studienergebnisse.
Das Gespräch für das DSAG-Redaktionsteam führte Martina Hecker, Managerin Ressorts Service & Support, Transformation und Lizenzen.
Christine Grimm ist Fachvorständin des DSAG Ressorts Transformation & Sustainability.
Dr. Marion Schreier ist aktiv im DSAG-Ressort Transformation, Arbeitskreis Pre-Transformation und leitete 2023 die Studie timeS/4change.
Eine ausführlichere Zusammenfassung der Studienergebnisse kann im Arbeitskreis S/4HANA Pre-Transformation aufgerufen werden.
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