„Pokert mehr!“
Natascha Kopperschmidt hatte während der Schulzeit weder Interesse an Mathematik noch ein Händchen dafür. Doch seit dem Studium der Wirtschaftsinformatik ist sie ein riesiger Fan logischer Prozesse und von SAP.
Ein großer Vorteil, denn sie ist heute Finanzprozess-Managerin beim Hamburger Intralogistik-Experten Jungheinrich. Dort schätzt sie nicht nur ihre Schnittstellenfunktion zwischen IT und Corporate-Accounting, sondern auch das Miteinander mit den unterschiedlichsten Teams. Nebenbei engagiert sich die Finanzexpertin als stellvertretende DSAG-Arbeitskreissprecherin im Arbeitskreis Globalization sowie in der Themengruppe Nachhaltigkeitsbilanzierung (Sustainable Accounting).
Frau Kopperschmidt, wie hat Sie Ihr Weg von der Ausbildung bis heute zu Jungheinrich geführt?
Natascha Kopperschmidt: Nach dem Abitur habe ich ganz klassisch eine Ausbildung zur Betriebswirtin im Außenhandel gemacht, einfach, um etwas in der Tasche zu haben. Dabei hatte ich anfangs meine Probleme mit dem Thema Rechnungswesen, aber irgendwann hat es dann Klick gemacht. Ich fand es letztlich so unglaublich logisch und toll, dass ich im Anschluss BWL studiert habe. Dort fragte mich mein Professor irgendwann, ob wir uns im Masterstudium der Wirtschaftsinformatik wiedersähen, und er hatte stichhaltige Argumente dafür. Damit geriet mein eigentlicher Wunsch, Nachhaltigkeitswissenschaften zu studieren, ins Hintertreffen, denn zum damaligen Zeitpunkt gab es nur wenige Stellenangebote in diesem Bereich und ich hatte ernsthafte Bedenken, eine gut bezahlte Anstellung zu finden.
Wie war der erste Kontakt mit SAP und wie ging es weiter?
Während des Masterstudiums der Wirtschaftsinformatik habe ich an einem SAP-Seminar teilnehmen dürfen. Dort konnte ich in einem Testsystem anhand einer kleinen Anwendung sehen, wie viel ich an dem Beispiel einer Prozesskostenrechnung mit Blick auf das Customizing machen kann. Zu erleben, wie ich mir selbst etwas überlege und das System diese Befehle dann ausführt, fand ich schon damals genial. Somit habe ich noch während meiner Masterarbeit meine erste Vollzeitstelle als SAP-Finance/Controlling (FI/CO)-Beraterin angetreten, war dann Key-Account-Managerin für den Finanz- und Controlling-Bereich und bin heute Finanzprozessberaterin im Corporate-Accounting bei der Jungheinrich AG.
Stichwort Frauenanteil: Wie hat sich in einer eher technologisch geprägten Arbeitsumgebung die Situation über die Jahre hinweg verändert?
Ich habe seit meiner ersten Werkstudententätigkeit immer einen relativ ausgewogenen Frauen- und Männeranteil erlebt – und zwar über alle Positionen hinweg, auch in der IT. Auch aufgrund dieser Erfahrungen bin ich keine Befürworterin einer Frauenquote: Meiner Erfahrung und meinem Empfinden nach kann man das nicht erzwingen, sondern es muss organisch wachsen und sich entwickeln. Alles andere führt zu Neid und Missgunst, und damit ist niemandem geholfen. Während des Studiums war der Anteil an Studentinnen aber tatsächlich geringer, auch wenn sich meine Professor:innen über einen höheren Anteil an Frauen in diesem Fachgebiet gefreut hätten.
Women@DSAG
Ziel der Initiative Women@DSAG, der inzwischen über 1.200 weibliche DSAG-Mitglieder angehören, ist es, Frauen in der DSAG sichtbar zu machen, zu fördern und zu vernetzen. Women@DSAG dient als Plattform, um berufliche Kontakt zu knüpfen sowie Erfahrungen und Expertise auszutauschen, indem sie die Frauen in der DSAG vernetzt, den Austausch zu den Herausforderungen im Beruf ermöglicht und das Thema Chancengleichheit im Arbeitsalltag beleuchtet.
Wie sieht es in Ihrem Unternehmen aus?
Der Anteil von Frauen und Männern in meiner Abteilung ist sehr ausgeglichen. Im gesamten Unternehmen liegt der Frauenanteil bei etwa 20 Prozent und damit leicht über dem Vergleichswert innerhalb der Branche Maschinenbau – dort liegt er bei 17 Prozent (Quelle: Bundesagentur für Arbeit).
Auch wenn zahlenmäßig Gleichstand zwischen Frauen und Männern in Ihrer Abteilung herrscht:
Gibt es Beispiele, wo Frauen anders agieren – und warum?
Definitiv, würde ich sagen! Ich empfinde Frauen oftmals als sehr sachorientiert, sodass Diskussionen eher auf der Sachebene stattfinden und es entsprechend besser gelingen kann, Themen zu besprechen und Aufgaben zu bearbeiten. Entscheidungen können so oft schneller getroffen werden und die Rollen sind klar verteilt. Bei Männern nehme ich häufiger politisches Agieren wahr, mit dem Ziel, sich im Unternehmen zu positionieren. Nach meinem Empfinden wird dabei häufig versucht, eine „hidden Agenda“ durchzusetzen, was natürlich zu weniger Transparenz für alle führt. Ich erlebe auch oft, dass Frauen einen sehr hohen Anspruch an sich selbst haben und ihre Weiterentwicklung im operativen Tagesgeschäft aus den Augen verlieren.
Was meinen Sie konkret damit?
Nehmen wir das Thema Gehalt: In unserer Branche verdienen Frauen anständig, und da kann schnell der Gedanke entstehen, dass es finanziell ja gut reicht und entsprechend genug sei für die eigene Arbeit. Männer dagegen sind in Gedanken häufig schon zwei Gehaltsstufen weiter und pokern auch eher. Daher ist es mir ein großes Anliegen, laut auszusprechen: Frauen, traut euch mehr zu, seid selbstbewusster! Verkauft euch und eure Fähigkeiten offensiver, lasst euch nicht beirren und pokert mehr!
Auf einen Blick: Frauen in MINT-Studienfächern
- Frauen entscheiden sich nach wie vor seltener für ein Studium von MINT-Fächern als Männer.
- Über die Jahre ist der Frauenanteil im MINT-Bereich allerdings gestiegen: Lag er 2001 noch bei 30,8 Prozent, so betrug er 2021 bereits 34,5 Prozent.
- Dabei gibt es jedoch große Unterschiede: Am höchsten war der Frauenanteil 2021 in Innenarchitektur (88,2 Prozent), am niedrigsten in Stahlbau (2,2 Prozent). In der Informatik lag der Frauenanteil unter den Studienanfängerinnen und Studienanfängern bei 21,8 Prozent.
- Insgesamt beginnen mehr Frauen als Männer ein Studium: So lag der Frauenanteil unter allen Studierenden im 1. Hochschulsemester im Studienjahr 2021 bei 52,4 Prozent.
- EU-weit spitze: 36 Prozent aller Bachelor- und gleichwertigen Abschlüsse in Deutschland entfallen auf ein MINT-Fach.
- Gute Jobaussichten: Im Jahr 2022 beschäftigten gut ein Fünftel (22 Prozent) der Unternehmen mit mindestens zehn Beschäftigten eigene IT-Fachkräfte.
Quelle: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/01/PD23_N004_213.html
Wo müssen wir Unternehmen und Gesellschaft stärker in die Pflicht nehmen, um mehr Frauen und Mädchen für MINT-Jobs zu begeistern?
Meiner Meinung nach wäre es sehr zielführend, die Formulierungen beispielsweise in Stellenausschreibungen oder Beschreibungen von Studienfächern zu ändern. Also weg von der reinen Beschreibung der technischen und sachlichen Tätigkeiten hin zum Gesamtkontext des Arbeitsfeldes. Denn dieser macht einen Job oder ein Studium überhaupt erst wertvoll und erstrebenswert. Da könnte man zum Beispiel einbringen, dass der Job auch Arbeit mit unterschiedlichsten Menschen, Positionen, Kulturen und Stakeholdern bedeutet, dass man in diverse Fachbereiche und Industrien reinguckt und grundsätzlich viel für sich selbst erreichen kann. Stichworte sind hier Selbstentwicklung, Kommunikation, Lösungen entwickeln etc. Die menschliche Ebene kommt häufig noch viel zu kurz, das wirkt auf viele potenzielle Bewerber:innen wenig attraktiv.
Stichwort: Frauen im DSAG-Vorstand. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Ich bin begeistert von unseren Frauen im Vorstand, habe sie auf dem DSAG-Jahreskongress im Oktober 2022 sehr bewusst wahrgenommen und sie auf der Bühne gefeiert! Das Schöne ist, sie wirken sehr harmonisch und authentisch, weiter so!
Ihre Meinung zu Women@DSAG?
Was ich mir gut vorstellen kann, ist, dass die Initiative einige Frauen darin bestärkt, sich vielleicht mehr zu zeigen und ihre Expertise einzubringen. Doch ist das Engagement in den unterschiedlichen Arbeitskreisen und -gruppen sowieso schon vorhanden. Ein extra geschützter Raum kann aber sicher helfen, weitere Frauen zu motivieren.
Und was interessiert Sie in Ihrer Freizeit?
Das sind vor allem meine Tiere. Ich lebe auf einem Lebenshof, ein Ort, wo alte, kranke und nicht mehr gewollte Tiere ihren Lebensabend verbringen dürfen. Und dort gibt es vier Pferde, acht Schafe und 13 Hühner sowie sechs Katzen zu versorgen.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Arbeitskreis Globalization
Der Arbeitskreis unterstützt Unternehmen bei der internationalen/globalen Umsetzung und Betreuung des SAP-Systems. Globalisierung ist dabei die Summe der lokalen Anforderungen im Ausland und deren Abbildung in SAP-Systemen – zentral und dezentral, was hinsichtlich Geo-Decouplings aktuell relevant ist.
- Lokale gesetzliche Anforderungen sind z. B. E-Invoicing bzw. transaktionales und periodisches Reporting/Meldung an Behörden, aktuelle steuerrechtliche und gesetzliche Anforderungen, etc.
- Lokale Besonderheiten sind z. B. Zeitzonen, Übersetzungen, internationale Systemlandschaften, Drucken in internationalen Systemen/Formularen.
Arbeitsgruppen innerhalb des Arbeitskreises sind E-Invoicing (beschäftigt sich v. a. mit dem Produkt SAP Document and Reporting Compliance (DRC)) und Localization für Lokalisierung- und globale Infrastrukturthemen.
Bildnachweis: DSAG, Shutterstock+Daniella Winkler
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