Siegerland braut mit SAP
S/4HANA bei Krombacher Brauerei
Von einer kleinen Dorfbrauerei zur größten Privatbrauerei Deutschlands und zu einer der modernsten Europas, das ist Krombacher. 1803 erstmals urkundlich erwähnt, wurde das Portfolio in den 2000er Jahren u. a. mit Fassbrause, Schweppes und Orangina breiter aufgestellt – mit Auswirkungen auf IT und Logistik, Vertrieb und Marketing. Um auch in Zukunft nicht auf dem Trockenen zu sitzen, nutzt das inhabergeführte Unternehmen seit Ende 2022 nun SAP S/4HANA.
Krombacher Brauerei Bernhard Schadeberg GmbH & Co. KG
Mit einem jährlichen Ausstoß von über sieben Mio. Hektolitern ist die Krombacher Gruppe einer der größten Getränkeanbieter Deutschlands und beschäftigt über 1.000 Mitarbeitende. Neben dem Flaggschiff Krombacher Pils zählen zu der Marke Krombacher ebenfalls Schweppes, Orangina, Dr. Pepper und Vitamalz.
„Krombacher. Eine Perle der Natur.“, dazu eine Kamerafahrt über Seen und Wälder und fertig ist eine der bekanntesten Werbungen Deutschlands. Und das zu Recht, schließlich ist die Brauerei aus dem Siegerland seit über 200 Jahren erfolgreich am Markt, wächst nach wie vor und viele Mitarbeitende stammen aus Familien, die bereits seit vielen Generationen im Unternehmen arbeiten.
Jan Beerwerth ist einer von ihnen. Begonnen hat er in der Logistik, nach einem Stopp im Controlling und anschließend in der IT ist er seit 2016 Systemkoordinator bzw. Mittler zwischen Fachbereichen und IT. „In der Theorie eine Funktion ohne fixe Aufgabe“, sagt Jan Beerwerth und gibt zu: „ein echter Luxus. Meine Aufgabe ist es, neben den Schwerpunktaufgaben Stammdaten, Daten und Analytics überall dort ansprechbar zu sein, wo es Optimierungspotenziale zwischen beiden Parteien gibt oder geben könnte.“ Damit das IT-seitig immer seltener passiert, entschied das Unternehmen Ende 2019, auf SAP S/4HANA zu wechseln.
Data-informed anstelle Data-driven
Das mittelständisch geprägte und inhabergeführte Unternehmen verfolgt für seine Weiterentwicklung folgenden Ansatz: Entscheidungen werden auf Basis datengestützter und menschlicher Einschätzung getroffen. „Also mehr Data-informed als das rein technische Data-driven, ein Ansatz, der sehr gut zu Krombacher passt, denn wir haben ein sehr umfangreiches Reporting und setzen auf die Kompetenz unserer Mitarbeitenden, die über eine langjährige Branchen-, Prozess- und Unternehmenserfahrung verfügen“, erklärt Jan Beerwerth.
Nach Teilnahme am SAP Adoption Starter Program geriet die Brauerei – wie so viele andere Unternehmen weltweit – Anfang 2020 durch Corona spontan in den Remote-Working-Modus. „Für Krombacher mit unseren etwa 1.000 Mitarbeitenden war das neu“, blickt Jan Beerwerth auf diese Herausforderung zurück. „Parallel war die Getränkebranche und damit auch unser Unternehmen von den Lockdown-Maßnahmen stark betroffen.“
Green-, Blue- oder Brownfield: eine einfache Entscheidung
Dass die Fachbereiche die Entscheidung für die neue Enterprise-Resource-Planning (ERP)-Lösung gleichzeitig in Frage stellten, war die zweite Herausforderung innerhalb des Projekts: „Wir haben doch ein tolles System, das gut funktioniert“ war der Konsens über alle operativen Bereiche hinweg. Gleichzeitig galt es, sich IT-seitig den sich immer schneller ändernden Anforderungen zu stellen sowie die SAP-Strategie konstant im Blick zu behalten und in den jeweils passenden ERP-Kontext zu bringen. Konkret bedeutetet dies, dass das damals für 2025 verkündete Ende des Kompatibilitätsmodus des für Krombacher relevanten Moduls LE-TRA für die Transportlogistik einer Verzögerung des Projekts gleichkam und damit ein Projekt im Projekt drohte.
Letzten Endes galt es zudem zu entscheiden, wie, wann und mit welchem Projekt-Team die Systemlandschaft mit ihren schlanken Prozessen auf S/4HANA geliftet werden soll. „Schnell war klar, dass wir via Brownfield migrieren, quasi eine ‚dirty conversion‘ mit den nur absolut notwendigen Anpassungen wie beispielsweise der Aktivierung des Geschäftspartners und dem neuen Hauptbuch, um so schnell und mit so wenig Fachbereichs-Impact wie möglich von SAP ERP Central Component (ECC) 6.0 ERP 7 auf ein lauffähiges S/4HANA-System zu kommen“, berichtet Jan Beerwerth. Diese Entscheidung erschien auch logisch, da während der intensiven Vorbereitungsphase keine echten operativen Quick-wins als Folge des Projekts identifiziert werden konnten – ganz anders als im technischen Bereich, worauf im Folgenden dann der Fokus des IT-getriebenen Projekts lag.
Conversion „Schluck für Schluck“ angehen
Auf dem Weg dorthin half eine sehr positive Grundhaltung: Nämlich die Corona-Pandemie und all ihre Folgen als Chance zu sehen. „In einem normalen Geschäftsjahr hätten wir kaum eine Gelegenheit gehabt, ein Projekt in einer solchen Größenordnung unterzubringen“, erklärt der Systemkoordinator. „Wir wachsen stark und wir haben durch das breite Produktportfolio so gut wie immer Saisongeschäft. Also haben wir den erzwungenen ‚Leerlauf‘ 2020 genutzt, um das Projekt zu initiieren und uns den 1. November 2022 als Going-live-Termin zum Ziel gesetzt“, so Jan Beerwerth. Schnell folgten die technischen Hausaufgaben – die erstens dringend zu erledigen waren und zweitens auch das Know-how erfahrener Dienstleister für u. a. Z-Coding sowie für das ca. ein Terabyte große System, ein Projekt-Management und Branchenspezifika für den Konsumgüterbereich benötigten.
Ein Ratschlag, den Krombacher auch sofort annahm, war es, das Projekt „Schluck für Schluck“ anzugehen, um Meilenstein für Meilenstein erfolgreich voranzukommen. Wichtig war es auch, die Organisationsstrukturen nicht über Maß zu belasten, um parallel die operativ weiterhin anfallenden Änderungsanforderungen angehen zu können und mit jedem Projektschritt tiefer in den Gesamtthemenkomplex S/4HANA hineinzukommen. Am 1. November 2021 erfolgte so als erster großer Meilenstein der vorwiegend technisch geprägte HANA-Datenbanktausch auf eine On-Premises Suite on HANA.
Learnings aus der Krombacher-Migration
- Unterstützung der Unternehmensführung einfordern.
- Fachbereiche mitnehmen und befähigen, viel testen.
- Prozessuale Migration von der technischen trennen, indem man die Datenbank im Vorfeld tauscht.
- Dienstleister und Partner suchen, die die Branchenspezifika verstehen und umsetzen können.
- Bei Add-ons darauf achten, dass die Partner auch wirklich das konkrete Ziel-Release unterstützen.
Hoher, aber überschaubarer Conversion-Aufwand
Parallel dazu wurde die eigentliche Herausforderung für die Fachbereiche – die Conversion auf S/4HANA – vorbereitet und anschließend konzentriert und kompakt organisiert angegangen. In dieser Projektphase wurde bewusst – nämlich „Schluck für Schluck“ – die Chance, das System aufzuräumen und Prozesse über das technisch notwendige Maß hinaus anzupassen, in die Zukunft verschoben. Mit den obligatorischen und branchenspezifischen Simplifications und der Anpassung des Z-Codes waren die für diese Aufgaben zur Verfügung stehenden ca. zehn Monate netto mit dem verhältnismäßig kleinen Projekt-Team mehr als gefüllt.
Alle Ampeln auf Grün
Während dieser Phase der S/4HANA-Reise war u. a. ein Code-Freeze für sechs Monate eingeplant. Das war etwas gänzlich Neues für das agile Unternehmen, in dem es laufend zu Prozessanpassungen und -optimierungen kommt. Somit war diese Phase von intensiven Abstimmungen und einem für Notfälle eingerichteten Change-Prozess geprägt. Rund lief die Migration, denn anstatt des geplanten 1. November 2022 konnte der Schalter bereits vier Wochen früher am 3. Oktober 2022 umgelegt werden. „Geräuscharm, innerhalb eines Wochenendes. Start war Freitagabend und Sonntagmittag waren wir bereits fertig“, freut sich Jan Beerwerth heute noch immer. „Die Tools funktionierten alle, der Readiness-Check hielt, was er versprochen hatte: alle Ampeln auf Grün!“
Quick-Wins beim Namen zu nennen, fällt Jan Beerwerth bis heute schwer: „Es gibt den einen großen Mehrwert: Wir haben es hinter uns gebracht! Das nimmt Druck und schafft Luft, die nächsten Schritte anzugehen. Nach dem Projekt ist vor dem Projekt, und es gibt viel zu tun, wenn man in dieser sich immer schneller drehenden Welt mithalten will. Die technologische Grundlage hierfür haben wir geschaffen!“
Kommt Zeit, kommt Rat
Rückblickend würde der Systemkoordinator ein solches Projekt wieder ähnlich angehen. Bei einigen Themen sieht er die Lage mittlerweile aber differenzierter: „Das Thema Clean Core bewerten wir heute anders. Das ist – im Unterschied zu vor drei Jahren – kein Schlagwort mehr, sondern eine in sich schlüssige Strategie von SAP. Diese bringt jedoch eine erhöhte Komplexität und einen zusätzlichen Bedarf an Know-how und Fachkräften mit in das Projekt.“
Bildnachweis: Krombacher: shutterstock
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