Transformation im Supply-Chain-Management
Dass Lieferketten zwischen Unternehmen heute nicht mehr so reibungslos ineinandergreifen wie noch vor Corona, Krieg und Energiekrise, ist unübersehbar.
Waren verteuern sich, sind zu knapp bemessen oder erreichen erst verspätet ihren Bestimmungsort. Auf das Supply-Chain-Management (SCM) kommen damit deutlich größere Herausforderungen zu.
Unternehmen bewegen sich in einer globalisierten Welt innerhalb international verteilter Produktions- und Logistiknetzwerke. Die Anforderungen an diese Netzwerke, was Zusammenarbeit und Koordination angeht, sind vor dem Hintergrund der aktuellen multiplen Krisensituation noch einmal signifikant gestiegen. Hierbei lassen sich technische und organisatorische Kategorien unterscheiden. Bei ersteren geht es um das Management der Netzwerke und das Schaffen moderner IT-Lösungen, die in Echtzeit Daten unterschiedlicher Herkunft und Struktur zu einem Gesamtprozess kombinieren können.
Risiken minimieren
Bei zweiteren, den organisatorischen Herausforderungen, stellen sich Fragen wie: „Was geschieht, wenn sich Mitglieder der Lieferkette nicht an Verträge halten?“ Hier sind erweiterte Zahlungsregularien erforderlich, Vereinbarungen über einzuhaltende Lieferzeiten oder Klauseln jener Art, dass Zulieferer regelmäßig ihre Kapazitäten übermitteln müssen. Dank solcher Vereinbarungen lässt sich das Risiko verringern, dass kleinste Störungen, fehlende Spezifikationen oder mangelnde Absprachen innerhalb der Supply-Chain die ganze Lieferkette zum Erliegen bringen.
Umgang mit Missbrauch
Immer wichtiger wird auch das Thema Missbrauch. Können (versehentlich oder arglistig) fehlerhaft geteilte Informationen innerhalb der Supply-Chain deren Erfolg beeinträchtigen? Was ist zu tun, wenn ein Partnerunternehmen innerhalb der Lieferkette ein mangelndes Kompetenzniveau aufweist? Dies kann technischer Natur sein, wenn es veraltete Software oder Schnittstellen verwendet, die technisch nicht sicher sind, sodass Informationen abfließen können. Oder es hat fachliche Gründe in dem Sinne, dass seine Software nicht in der Lage ist, Prognose- oder Simulationsfunktionen zu unterstützen. Solche wunden Punkte können unter den derzeitigen volatilen Gegebenheiten schnell den Gesamterfolg der Lieferkette gefährden.
All diese Fragen und Herausforderungen wirken sich auf die Supply-Chain-Management-Software (SCM) aus. Deren Aufgabe: Unternehmen entlang ihrer Lieferkette bei der Verwaltung von Transaktionen, Geschäftsprozessen und Beziehungen zu unterstützen. Diese Prozesse gliedern sich in drei Hauptkategorien: Produktfluss, Informationsfluss und Finanzfluss. Ersterer behandelt die Warenbewegungen von Lieferanten zu Kund:innen, inklusive sämtlicher Retouren. Auch Service-Anforderungen fallen in die Kategorie. Zweiterer, der Informationsfluss, bedeutet die Übermittlung von Bestellungen und die Aktualisierung des Lieferstatus entlang der Lieferkette. Mit Finanzflüssen sind schließlich alle Geldbewegungen zwischen Kund:innen und Lieferant gemeint.
Arbeitskreis Supply-Chain-Management
Der DSAG-Arbeitskreis Supply-Chain-Management beschäftigt sich mit SAP-Anwendungen in den Bereichen Supply-Chain-Planning and -Collaboration, Supply-Chain-Execution und Global-Trade-Services sowie deren Zusammenspiel mit anderen SAP-Anwendungen und dem ERP-System. Auch das Thema Industrie 4.0 wird behandelt. Darüber hinaus versteht sich der Arbeitskreis als Vertreter für direkte Fragen an SAP, deren Strategien und die aktuellen Entwicklungsstände, wie z. B. Integrated Business Planning, SCM on HANA oder Supply-Chain-Planner.
Branchenprozesse unterstützen
Wichtigste Anforderung an eine SCM-Software ist es daher heute, dass sie auf einzelne Branchen hin ausgerichtet wird und branchenspezifische Prozesse direkt abbilden kann. Die Prozesse müssen in der Software außerdem flexibel anpassbar und erweiterbar sein, wenn sich das Geschäft des Unternehmens dynamisch weiterentwickelt. Deshalb müssen die Lösungen offen sein, d. h. sie brauchen intelligente Schnittstellen oder sonstige Konnektierungsmöglichkeiten, um Software auf Supply-Chain-Ebene miteinander zu vernetzen – nicht nur SAP-Software untereinander, sondern auch im Verbund mit Drittherstellern.
Vernetzte Partner
Planungs-Software unterschiedlicher Hersteller muss kombiniert werden, damit Informationen über die gesamte Supply-Chain hinweg ausgetauscht werden können. Partnerunternehmen innerhalb der gesamten Lieferkette müssen sich ohne großen Aufwand miteinander vernetzen lassen.
Wo es bislang SAP Industry Solutions gab, soll in der neuen S/4HANA-Welt künftig die Industry Cloud branchenspezifische Erweiterungen ermöglichen. SAP Supply Chain Management wird allerdings nicht in diesem Kontext verortet. Es ist vielmehr ein Sammelbegriff verschiedener Lösungen, zu denen die Manufacturing Cloud ebenso gehört wie das Lagersystem Enterprise-Warehouse-Management (EWM), die Planungslösung Production Planning & Detailed Scheduling (PPDS), das Transportmanagement (TM), Global Track & Trace und andere.
All diese Lösungen nehmen sich unterschiedlicher SCM-Aspekte an und müssen branchenspezifisch ausgerichtet werden. Hier ist SAP unterschiedlich weit. Bei der Manufacturing Cloud z. B. gibt es derzeit nur zwei Ausprägungen, für die diskrete Fertigung und für die Prozessindustrie. In der Prozessindustrie und allen Bereichen, in denen es Tanks und Silos gibt, ist mittlerweile eine branchenspezifische Tankplanung möglich.
Automatisierte, digitale Plattform
Unternehmen brauchen eine automatisierte, digitale Plattform, die die verschiedenen SCM-Aspekte vereint. Sie muss so aufgebaut sein, dass sie sowohl innerhalb der SAP-Welt wie auch mit Drittherstellern vernetzbar ist. Schnittstellen müssen sich bei Problemen selbstständig wiederherstellen oder entsprechend auf Fehler hinweisen. Ist ein Datensatz nicht verarbeitbar, muss schnell geklärt werden: Hält das gesamte System an oder nimmt es (wie bei einem Virenscanner) den Datensatz beiseite, behandelt ihn separat und synchronisiert gleichzeitig die restlichen Informationen?
Simulationsfunktionen gefragt
Auch intuitive Bedienbarkeit und Simulation sind wichtig. Supply-Chain-basierte Systeme brauchen Simulations-, Planungs- und Prognosefunktionen, um etwa Bestände in einzelnen Lieferschritten zu antizipieren oder Szenarien zu entwickeln, wie sich Kapazitäten innerhalb der Lieferkette weiterentwickeln werden. Was kann der Vorlieferant senden, wie viel der fertig produzierten Ware kann der eigene Logistiker aufnehmen? Je besser man solche Tatbestände vorhersagen kann, desto genauer fällt die eigene Planung aus, wie viel man vorproduzieren lassen und was man überhaupt lagern kann.
Es darf kein Prozessvakuum geben
Und was bedeutet dies für SAP-basierte SCM-Systeme? Zur Planung von Supply-Chain-Netzwerken bedarf es solider Referenzarchitekturen, die branchenspezifisch ausgeprägt sind und auch neue Technologien wie die Industry Cloud mit berücksichtigen. Die DSAG fordert von SAP außerdem mehr Akzeptanz für den Weiterbetrieb von On-Premise-Lösungen, insbesondere in Branchen mit hoher Prozesskomplexität, hier vor allem in den Bereichen Produktion und Supply-Chain-Management.
Wichtig: Beim Umstieg von SAP ECC auf S/4HANA inklusive sämtlicher neuer Cloud-Lösungen darf es kein Prozessvakuum geben. SAP muss hybride Ansätze aus der Cloud und On-Premise weiter unterstützen. Zu einem solchen Vakuum kommt es, wenn Prozesse, die bislang in SAP ECC abgebildet werden, in der S/4HANA-Welt nicht mehr durchführbar sind, weil die Industry Cloud das jeweilige Werkzeug noch nicht bereitstellt. Dann aber kommt man gar nicht in die Lage, von alt auf neu umzusteigen, ohne auf gewisse Geschäftsprozesse zu verzichten.
SAP muss deshalb die alten Werkzeuge so lange zur Verfügung stellen, bis die neue SAP-Welt ohne Vakuum bereitsteht und ausreichend Umstiegszeit zur Verfügung steht. Erst ganzheitlich konsumierbare Business-Netzwerklösungen innerhalb der Supply-Chain ermöglichen es dann, die gegenwärtigen Herausforderungen durch Unterstützung von (SAP-) IT zu bewältigen.
Bildnachweis: DSAG, Shutterstock
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