Jetzt zählt’s!
Seit der erste Entwurf des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) durch Wirtschaft und Unternehmen geistert, gibt es mehr Fragen als Antworten.
Das Hauptärgernis: Nach wie vor mangelt es an klaren Verantwortlichkeiten sowie praktikablen Lösungen für die Umsetzung im Mittelstand. Cornelia Upmeier, Referatsleiterin Corporate Social Responsibility (CSR) bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), hat den holprigen Start Anfang 2023 miterlebt.
Es ist Frühjahr 2023: In welcher Situation befinden sich mittelständische Unternehmen und was sind die dringendsten Aufgaben?
Cornelia Upmeier: Seit dem 1. Januar 2023 sind Großunternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden vom Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) betroffen, mittelständische Unternehmen weiterhin nur indirekt. Und dennoch hat das neue Gesetz heute schon Konsequenzen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Es gibt bspw. viele Anrufe bzw. eher schon Hilferufe der Industrie- und Handelskammern (IHK), die berichten, dass viele ihrer KMU-Mitglieder nicht wissen, wie sie mit den unterschiedlichen Fragebögen, Code-of-Conduct (CoC) oder Eintragungen in diverse Datenbanken etc. ihrer großen Kund:innen praktisch umgehen sollen. Sprich, die letztes Jahr noch theoretischen Probleme kommen nun in der Praxis an, und es gibt keine konkrete Lösung. Und das in Zeiten, in welchen Unternehmen mit Problemen wie Energiekosten und Fachkräftemangel schon genug zu kämpfen haben. Da das Bundesamt für Wirtschaft und Außenkontrolle (BAFA) für die direkt betroffenen Unternehmen und deren Kontrolle zuständig ist, ist von dieser Seite auch keine Hilfestellung zu erwarten, da es schlicht nicht in seinem Verantwortungsbereich liegt.
Was raten Sie den betroffenen mittelständischen Unternehmen?
Insbesondere im Dezember glühte das Telefon bei mir, da die IHKs den Druck der KMU spürten und ehrlich gesagt auch einfach ratlos waren. Derzeit kann man nur einen Ratschlag geben: Versuchen, mit großen Kund:innen zu reden! Leider übertragen einige große Unternehmen ihre Anforderungen 1:1 an die komplette nächstuntere Ebene – etwas, dass das LkSG so nicht vorsieht. Schließlich geht das LkSG von einem risikobasierten Ansatz aus: Dort, wo die größten Risiken liegen, muss ich erstmal nachweisen, dass ich mich selbst kümmere. Die Aufgabe der Risikoanalyse liegt bei den direkt betroffenen Firmen und kann nicht weitergereicht werden. Via Gießkannenprinzip von allen Zulieferern Nachweise zu fordern, reicht nicht. Das hilft dem KMU am Ende auch nicht, wenn der Auftrag ohne diese Nachweise nicht erteilt wird. Tatsächlich machen sich aber auch viele KMU jetzt schon auf den Weg, erstellen eigene Risikoanalysen und halten ihr Engagement in einer Erklärung fest. Einerseits, um Transparenz für die Kund:innen zu schaffen und andererseits, um für etwaige Änderungen z. B. durch die Europäische Union (EU) oder auch durch die Überarbeitung des deutschen LkSG in ein paar Jahren gewappnet zu sein.
Gab es seitens der Gesetzgebung Bemühungen, das Gesetz zu im Nachgang verbessern?
Ja, und zwar mehr Klarheit direkt durch das BAFA. Dazu zählen Handreichungen zu verschiedenen Aspekten der Sorgfaltspflichten, etwa zur Umsetzung von Risikoanalysen oder dem Beschwerdeverfahren nach den Vorgaben des LkSG sowie zur Klärung des Begriffs der Angemessenheit im Gesetz usw., die auf der Webseite zu finden sind. Zudem ist das Merkblatt bzw. der Fragenkatalog zu den Berichtspflichten endlich online. Nach Kritik aus der Wirtschaft wird dieser, jedenfalls unserem Kenntnisstand nach, gerade nochmals überarbeitet und sorgt hoffentlich demnächst als Online-Fragebogen für mehr Klarheit bei den Anforderungen an die Unternehmen zur Berichtspflicht. Dazu tragen auch die FAQ bei, die laufend ergänzt werden.
Die beste Veränderung allerdings ist folgende Nachricht des BAFA, versteckt in den FAQ: Für alle Berichte, die zwischen 1. Januar 2023 und 1. Juni 2024 beim BAFA einzureichen und auf der Internetseite der Unternehmen zu veröffentlichen sind, gilt Folgendes: Das BAFA wird erst zum Stichtag 1. Juni 2024 das Vorliegen der Berichte beim BAFA sowie deren Veröffentlichungen nachprüfen. Unternehmen, die vor dem 1. Juni 2024 berichten, kann das BAFA bei Bedarf Hinweise geben, wie den Anforderungen des LkSG in Folgeberichten Rechnung getragen werden sollte. Die Erfüllung der übrigen Sorgfaltspflichten und deren Kontrolle durch das BAFA werden hiervon nicht berührt.
Wo sehen Sie noch weiteres Optimierungspotenzial?
Eine Lehre ist, dass die Transparenz – wie von uns und anderen vorhergesagt – nicht an den deutschen Unternehmen scheitert, sondern an denjenigen weiter unten in der Lieferkette. Mir berichtete gerade ein KMU, dass es mit seinem Tier-1-Zulieferer in China alle Vorschriften erfüllen kann, Audits, Zertifizierungen etc., dieser aber blockiert, wenn es um seine eigenen Zulieferer geht. Denn dies sei ein Geschäftsgeheimnis. Tiefere Einblicke in die Lieferkette sowie bestimmte Länder bleiben schwierig, und mit dieser Unsicherheit müssen Unternehmen lernen umzugehen.
Arbeitskreis SAP Environment, Health and Safety (EH&S) & Product Compliance
Unterstützt bei allen Aufgaben rund um die Erfüllung internationaler Sicherheitsstandards, Richtlinien und Vorschriften im Gesundheits-, Umwelt- und Arbeitsschutz.
Zum Abschluss: Was gilt es nun als nächsten Schritt umzusetzen?
Unser Tipp: Befassen Sie sich mit Ihren Lieferketten und führen Sie eine Risikoanalyse durch. Daraus ergeben sich mögliche weitere Schritte, Sie können diese Aktivität in einer Grundsatzerklärung oder Ähnlichem festhalten und den Kund:innen zur Verfügung stellen. Die Praxis zeigt nämlich, dass einige Fragen kommen, und Sie hätten dann schon die Antworten parat.
Vielen Dank für das Gespräch!
Bildnachweis: DIHK Deutscher Industrie und Handelskammertag e.V., Shutterstock
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